Zodius 01 - Ein Sturm zieht auf
brennend seine Kehle hinab, wobei ihm nicht entging, dass die ahnungslose Cassandra ironischerweise ausgerechnet Wodka gewählt hatte. Es war, als würde ihn sein Vater aus dem Grab heraus auslachen und Michael daran erinnern, dass seines Vaters Blut in seinen Adern floss, egal, was er tat oder wohin er ging.
Cassandra kam zurück und stellte das Wasser zu den anderen Sachen auf den Nachttisch, die sie schon bereitgelegt hatte. Sie atmete tief durch.
Er bemerkte ihre Bedenken. »Je eher wir das erledigen«, sagte er, »desto schneller heilt es.«
»Ich weiß«, erwiderte sie ernst. »Ich weiß.«
Er nahm noch einen langen Zug aus der Flasche, schraubte sie zu und gab sie ihr. Seine Wunde musste nicht mit dem Alkohol sterilisiert werden, da er sich keine Infektionen zuziehen konnte. »Hab ich dir schon erzählt, wie sehr mein Vater Wodka-Martini geliebt hat?«
Ein entsetzter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Du hast nie von deinem Vater gesprochen.«
Oder von der Mutter, die seinen Mut gehasst hatte. Sie hatte zwar nicht direkt gesagt, dass sie ihn hasste, jedoch ließ sie weder etwas von sich hören, noch zeigte sie Interesse an ihm und seinem Leben. Was für ihn nach Hass klang.
Michael streckte Cassandra das Messer entgegen. Als sie danach griff, ließ er nicht los. Ein Teil von ihm wollte den Versuch einer Erklärung wagen, doch es würde nichts daran ändern, wer oder was er war. Er ließ locker und drehte sich auf die Seite, wobei er es irgendwie schaffte, das Handtuch an seinem Platz zu halten. »Ich hab dir von meinem Vater erzählt«, sagte er. »Ich erinnere mich genau, gesagt zu haben, dass er ein Mistkerl war.«
Sie presste die Hand auf das Handtuch. »Ich hab’s. Ja, jetzt da du es erwähnst, erinnere ich mich ziemlich deutlich an die Mistkerl-Beschreibung.« Sie konzentrierte sich wieder auf die eigentliche Sache. »Okay. Packen wir’s an. Ich versuche als Erstes die Kugel zu finden.« Sie hob das Handtuch an und wischte unaufhörlich Blut weg, um einen Blick auf das Geschoss erhaschen zu können. Zitternd stieß sie die Luft aus. »Ich muss die Haut zurückziehen.«
»Tu, was du tun musst.« Sie schritt zur Tat, und er zuckte und grunzte, als die Patrone an seinen Rippen entlangschabte.
»Tut mir leid«, raunte sie. »Sie sitzt tief, Michael. Ich komme so nicht an sie ran. Ich muss schneiden.« Mit verzweifelter Miene presste sie das Handtuch auf die Wunde und beugte sich über ihn. »Ruf Hilfe. Wir brauchen einen Arzt. Du brauchst unbedingt was gegen die Schmerzen. Ich bestehe darauf.«
Mit letzter Kraft streckte Michael die Hand nach oben aus, ließ die Finger durch ihr Haar gleiten und zog sie an sich. »Hör zu«, sagte er, während er ihr tief in die Augen blickte. »Du musst es machen. Es gibt sonst niemanden.«
»Ein Arzt …«
»Die Renegades haben nur menschliche Ärzte. Damit will ich sagen, dass sie nicht mit dem Wind kommen können und ich nicht warten kann, bis sie im Flugzeug sitzen. Du musst es tun.«
Sie holte Luft und schüttelte mit bebender Unterlippe den Kopf. »Ich hasse das so sehr.«
Damit sind wir schon zwei, dachte er, als er sie losließ und sich wieder hinlegte. Seine Lider flatterten, während ihm die Augen schwer wurden und sich das Zimmer plötzlich zu drehen begann. Er hatte schon zu viel Blut verloren. Wie hatte er überhaupt so lange durchhalten können? Er schluckte und versuchte die aufkeimende Übelkeit niederzukämpfen.
»Bereit?«, fragte sie.
Mit knirschenden Zähnen zwang Michael seinen Magen, sich zu beruhigen. »Ja.«
Sie gab ihm keine Zeit, es sich anders zu überlegen. Stahl durchtrennte sein Fleisch, gefolgt vom umgehenden sauren Brennen aus Schmerz. Er versteifte sich. Schweiß brach ihm auf dem Rücken aus, auf dem Gesicht, am ganzen Körper. Ihm wurde vage bewusst, dass Cassandra weinte und dennoch weitermachte, immer noch tat, was getan werden musste. Dann stieß sie auf die Kugel. Obwohl er sich bemühte, stillzuhalten, zuckte sein Körper. Er konnte kaum einen Schrei zurückhalten, als der Schmerz seine Nervenenden spaltete.
»Es tut mir leid«, flüsterte Cassandra, kurz bevor die Klinge noch einmal in sein Fleisch schnitt und ihre Finger in ihm wühlten. Vor seinen Augen tanzten winzige Lichtimpulse, in seinem Kopf, seinen Extremitäten, bevor sich die Dunkelheit bleiern über ihn senkte. Er geriet in Panik – was er normalerweise nie tat. In Gedanken kratzte er sich durch die Dunkelheit. Wer würde Cassandra beschützen,
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