Zodius 01 - Ein Sturm zieht auf
genussvoll. Er zog ihr das Glas aus der Hand und stellte beide Kelche auf dem Tisch ab. »Verrate mir eins, Jocelyn«, sagte er und legte kühn eine Hand auf ihren Oberschenkel. »Törnt es dich genauso an wie mich, die Welt zu retten?«
Als Brock allmählich zu Bewusstsein kam, hörte er Stimmen; seine letzte Erinnerung war die an schwere, das grelle Licht ausblendende Schatten. Wie lange war das her? Minuten? Stunden?
Er blinzelte ein paarmal, versuchte sich zu konzentrieren, spürte etwas Schweres auf seinem Gesicht. Eine Maske – er trug eine Art Maske, die seine Augen bedeckte.
Er öffnete den Mund und wollte rufen, doch allein bei dem Versuch schwoll sein Hals an. Er holte tief Luft, um sich zu vergewissern, dass seine Lunge noch funktionierte. Stieß die Luft wieder aus. Er war nicht tot. Eine vertraute Stimme bohrte sich durch den Nebel. Nein, es war ein Stöhnen. Ein weibliches Stöhnen.
»General«, hörte er ein Flüstern. »O Gott, General . « Erneutes gedämpftes Stöhnen und Keuchen, dann ein gutturales, männliches Knurren.
Die Realität holte Brock ein und ließ Habgier durch seine Adern strömen. Er wusste nicht, warum, doch Jocelyn gehörte ihm. Er versuchte sich aufzusetzen. Versuchte zu schreien – Jocelyn! –, brachte aber keinen Ton heraus.
Jocelyns Stimme waberte durch die Dunkelheit. »General, warte. General, aufhören.«
Brock holte Luft, zwang sich, ruhig zu bleiben, und klammerte sich an die Bruchstücke ihrer Stimme. »General, warte!«, wiederholte sie. »Brock ist wach. General, hör bitte auf! Er ist wach.«
Der General grunzte. »Das ist mir gerade scheißegal, Jocelyn.«
»Wir sollten nach ihm sehen.«
»Wie wär’s, wenn ich’s dir erst richtig besorge, und du siehst anschließend nach ihm?« Dem folgten Kussgeräusche. »Wie wär’s damit?«
»Er kann uns hören«, flüsterte sie.
»Dann hat er auch was davon und kann mit uns zusammen kommen.«
Brock zerrte an den Fesseln und kämpfte sich durch die an den Armen hinauftreibenden Schmerzen.
Offenbar brachte der General sie mit weiteren Küssen zum Schweigen. Er machte immer weiter. Das Seufzen und Stöhnen quälte Brock mehr als die in seinen Adern steckenden Nadeln. Unbändig kämpfte er gegen die Fesseln an, versuchte sich zu befreien, wollte das Stöhnen und Seufzen zum Verstummen bringen, da fuhr ihm ein stechender Schmerz durch eine Augenbraue, und er war nicht mehr imstande, sich zu wehren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als still zu liegen und Jocelyns Lustschreien und dem Klatschen von Haut auf Haut zu lauschen. Das Ganze setzte sich endlose, qualvolle Minuten lang fort, bis es schließlich endlich still wurde. Brock malte sich mit bildhafter Genauigkeit aus, wie sie nackt und aneinandergeschmiegt dalagen – dann wurde ihm klar, dass er Powell jagen und töten, ihm heimzahlen würde, was er ihm angetan hatte. Daran klammerte er sich, bis eine Sirene laut schrillte und wieder verstummte.
»Wer klingelt denn so spät noch an der Tür?«, fragte Jocelyn. Eine gewisse Hektik brach aus, während sie sich offenbar etwas anzog.
Tür? Das war doch keine Türklingel, dachte Brock vage. Wo zur Hölle waren sie?
»Ich checke den Monitor«, sagte Powell. »Du ziehst dich an.«
Tastaturgeklapper erklang … dann fluchte Powell leise.
»Was ist?«, fragte Jocelyn. »Was ist denn?« Als sie keuchte, ging Brock davon aus, dass sie einen Blick auf den Bildschirm geworfen hatte. »O mein Gott. Es ist mein Sohn. Michael ist hier.«
Als seine Mutter die Tür öffnete, blähte der Geruch von Sex Michaels Nasenflügel und ersetzte den in der Ferne abklingenden Sturm. Obwohl sich seine feine Nase im Gefecht als nützlich erwiesen hatte, sorgte sie heute dafür, dass sich ihm der Magen umdrehte, denn in diesen Geruch mischte sich noch etwas anderes. Etwas Vertrautes, das er nicht genau zuordnen konnte. Etwas, das nach Gefahr und Lügen roch. Ein Omen, dass dieses Treffen seine Vermutung bestätigen würde: dass sie mindestens so niederträchtig war wie sein Vater. Dass sie alles tun würde, um an der Spitze mitzumischen, und nicht einmal vor einer Allianz mit Adam zurückschreckte.
»Hallo Mutter.«
Jocelyn Taylor erwiderte den Blick ihres Sohns mit den gleichen kristallblauen Augen, die er einst besessen hatte. In ihren Tiefen spiegelte sich ein Willkommensgruß wieder, wie man ihn einem wilden Tiger bot – geheucheltes, majestätisches Desinteresse, um den unterschwelligen Wunsch zur Flucht zu verbergen. Zerlumpt
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