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Zoë

Titel: Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Carmichael
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geschenkt hatte, hänge an der Wand neben ihrem Atelierund inspiriere sie jeden Tag aufs Neue. Sie würde gern eine Ausstellung für Bessie in New York organisieren. Bessie wehrte ab, Quilts zu nähen sei für sie so normal wie atmen. Die Muster kämen ihr direkt aus dem Herzen, eine Gabe ihrer Engel seien sie, und Helen solle ihre Decke auf ihr Bett legen, da gehöre sie hin. Trotzdem habe ich Bessie angemerkt, dass es sie freute, dass Helen ihren Quilt nicht als simple Bettdecke sah.
    Fred wollte nichts davon hören, als Helen meinte, seine Blumen seien große Kunst. Er beharrte darauf, dass er sie nur deswegen anpflanze, weil er Bessie liebe, einzig und allein aus diesem Grund.
    »Wir haben jeder unsere eigenen Gründe für das, was wir tun«, meinte Helen. »Meine sind vermutlich völlig selbstsüchtig, aber wenn ich nicht mehr malen könnte, würde ich sterben.«
    »Sterben?«, wiederholte ich neugierig. Ich überlegte, ob ich selbst sterben würde, wenn ich nicht mehr lesen oder Tagebuch schreiben könnte.
    »Meine Seele würde sterben, das will ich damit sagen, alles Gute an mir. Wenn ich nicht jeden Tag ganz für mich und in aller Ruhe malen kann, bin ich tief unglücklich und einfach unausstehlich.«
    Während sie redete, hatte Franklin sich neun Löffel ins Gesicht gehängt: Vier hingen an seinen Wangen, zwei unter den Augenbrauen, und je einer klemmte an Nase, Mund und Kinn. Er arbeitete schon am zehnten, als Helen ihn endlich bemerkte und in Lachen ausbrach. Es klang wie Musik, wie klingendes Glas, und als sie lachte, fielen Franklin die Löffel erst auf den Tisch und dann laut scheppernd zu Boden. Jetzt lachten wir alle. Alle bis auf Henry.
    Er saß steif an seinem Tischende, guckte mürrisch, spielte manchmal nervös mit irgendwelchen Gegenständen, sagte aberkein Wort. Ein- oder zweimal schaute Helen kurz zu ihm hinüber, dann sahen Bessie und sie sich an und verdrehten die Augen. Ich versuchte ihn zu ignorieren und war froh über den Besuch. So musste ich mir wenigstens nichts anhören über Pfeile und Bogen und Hargrove Peters. Davon würde ich später noch mehr als genug zu hören bekommen, das war mir klar.
    Nachdem der Tisch abgeräumt war, nahm Henry Helen und Franklin mit in seine Werkstatt, um ihnen seine neuesten Arbeiten zu zeigen. Ich entschuldigte mich und lief schnell nach oben.
    Als die drei über den Hof gingen, hörte ich, wie Helen für mich Partei ergriff. »Bestraf sie nicht, Henry, nicht an Erntedank. Mir zuliebe, ja? Bitte.« Doch dann wurden die Stimmen immer leiser, und ich konnte Henrys Antwort nicht hören. Das Verrückte war – ich hätte wirklich gern gewusst, was er ihr antwortete.
    Der Mond schien in mein Zimmer, es war ganz hell. Ich streckte mich auf meinem Bett aus, grübelte über alles, was an diesem Tag passiert war, und erwartete Henrys Gardinenpredigt. Es dauerte nicht lange, da startete der Motor von Freds und Bessies Auto, und eine halbe Stunde später hörte ich Franklin und Helen die Treppe zu Henrys Zimmer hochsteigen, kichernd wie zwei Kinder. Ich setzte mich auf und richtete mich darauf ein zu diskutieren, zu erklären, mich zu verteidigen. Doch dann ging in der Werkstatt das Schneidegerät an. Henry kam nicht mehr zurück ins Haus.

 
    Am nächsten Tag wimmelte es nur so von Menschen. Die beiden Fremden, der Mann und die Frau, waren über Nacht geblieben, im oberen Stockwerk. Der Helfer und seine Gefährtin kamen kurz nach Sonnenaufgang, fuhren später noch einmal los, und als sie zurückkamen, hatten sie den humpelnden Alten dabei, den von dem Haus mit Turm unten im Ort. Der Lärm, den sie veranstalteten, drang bis hinunter in den Kriechgang. Sie trampelten herum, ab und zu lief jemand eilig hin und her, Gegenstände wurden über den Boden geschleift, manchmal fiel etwas um, dann lachten die Menschen und machten weiter. Der Kater verzog sich auf die Veranda. Doch auch da hatte er keine Ruhe: Immer wieder kam jemand heraus, um Feuerholz zu holen, um durch den Garten zu schlendern oder um der Werkstatt des Mannes kurze Besuche abzustatten.
    Der Kater floh über den Bach, um unter einem Rhododendron ein Schläfchen zu halten. Aber schon bald näherte sich jemand mit schweren Schritten, pflanzte sich mit seinem fetten Hinterteil auf einen Felsen und blies Rauchwolken in die Luft, von denen dem Kater die Luft wegblieb. Unbegreiflich, wie auf einmal all diese Menschen hier auftauchten und sich breitmachten.
    Er verzog sich noch tiefer in den Wald. Doch am

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