Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zoë

Titel: Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Carmichael
Vom Netzwerk:
Hunger! Hast du denn keine Augen im Kopf?«
    »Bitte, Bessie«, mahnte Fred leise. »Wir kennen den Mann doch gar nicht.«
    Bessie warf ihm einen missbilligenden Blick zu. »Mr Jeffers«, rief sie dann laut. »Möchten Sie sich nicht vielleicht an unserem Kamin wärmen und uns erlauben, für Sie an unserem Tisch mitzudecken? Wir wären Ihnen sehr dankbar, nicht wahr, Zoë?«
    Sie sah streng in meine Richtung, und ich nickte widerwillig. »Schon möglich. Komm, Harlan.«
    »Vielen Dank«, sagte er. »Ich bleib auch nicht lange.«
    Ich verdrehte die Augen. »Den werden wir nie wieder los«, murmelte ich, als Bessie Harlan ins Haus eskortierte.
    Ich ging zu seinem abgewrackten Ford und versuchte, ins Innere zu sehen. Aber die Fenster waren völlig verdreckt oder beschlagen oder beides, also machte ich eine der hinteren Türen auf. Das Auto stank dermaßen nach kaltem Zigarettenrauch und ungewaschenem Menschen, dass es mich fast umhaute. Ich tat einen Schritt zurück und wedelte die ekelhafte Luft beiseite. Auf den Sitzen häuften sich Klamotten, volle Plastiktüten, Müll, Zeitungen und was weiß ich alles.
    »Der hat in seinem Auto gewohnt«, sagte ich zu Herrn K., der mir gefolgt war. »Harlan – auch das noch! Als hätten wir nicht schon genug um die Ohren.«
    Herr Kommkomm hörte sie als Erster. Er spitzte die Ohren, als aufgeregtes Hundegebell aus dem Wald herüberdrang. Blitzschnell sprang er mit mir ins Auto und versteckte sich neben mir in einem Haufen aus Kleidung und allem möglichen Krempel auf dem Rücksitz. Von irgendwo zwischen den Bäumen her hallten erregte Stimmen, und ich erkannte zwei oder drei Männer, diehinter irgendetwas herjagten. Ich knallte die Autotür zu und schaute mit zusammengekniffenen Augen nach draußen. Verschwommen sah ich etwas Weißes, dass hinten zwischen den Bäumen hindurchhuschte, und im nächsten Augenblick rannte mit wildem Blick das weiße Reh über Hof, Einfahrt und Wiese, um im nächsten Augenblick auf der anderen Seite, in Höhe des kleinen Friedhofs, im Wald zu verschwinden. Mit kurzem Abstand folgte eine Horde Männer, die mit ihren Gewehren herumfuchtelten.
    Das Geschrei der Männer wurde immer lauter, wie auch das Gebell der Hunde. Ein Auto brauste donnernd in die Einfahrt und hielt direkt aufs Haus zu. Kies spritzte zur Seite. Unmittelbar dahinter folgte mit quietschenden Reifen und wild blinkendem Signallicht auf dem Dach der Streifenwagen des Sheriffs. Der erste Wagen brach aus und buckelte über die Wiese, der Sheriff riss das Steuer herum und raste mit aufheulendem Motor hinterher, versuchte zu überholen. Beide gerieten ins Schleudern und blieben im weichen Lehmboden stecken. Gleichzeitig kamen hinter zwei bellenden, gelben Hunden drei Männer mit Gewehren in den Hof, gefolgt von Maud Booker, die ebenfalls ein Gewehr schwang. Alle keuchten und brüllten und rannten, so schnell sie konnten, über den Hof zur Wiese. Alle außer den Hunden jedenfalls, denn die hatten Herrn K. jaulen hören, waren ausgeschert und zerkratzten jetzt wild kläffend Fenster und Türen von Harlans Auto.
    Wie Ameisen, die in Panik ihren Ameisenhaufen verlassen, strömten jetzt alle aus dem Haus nach draußen. Ich nahm die Abkürzung quer übers Feld, überholte mit Leichtigkeit die übergewichtigen Jäger und raste vorbei an den ausgebremsten Autos. Henry und Fred und der Sheriff brüllten meinen Namen, aber mich konnte nichts und niemand mehr aufhalten. Ich erreichte als Erste den Wiesenrand, rutschte auf dem Po die Böschunghinunter und stolperte weiter zum Friedhof, wo das leuchtend weiße Reh hinter dem Zaun hin- und herrannte und in seiner Panik nicht hinausfand.
    Als ich die Böschung halb unten war, stand auf einmal jemand bei ihm, der versuchte, es zu halten, zu beruhigen und den Riegel am Eingangstor aufzubekommen, alles gleichzeitig. Wer immer derjenige war, er musste außen ums Haus herumgelaufen sein und den kleinen Friedhof von der Rückseite her betreten haben, gerade als das Reh vorn hereinlief.
    »Halt es fest!«, brüllte ich im Rennen. »Bloß nicht laufen lassen!«
    Der Mensch ließ den Riegel los, warf etwas ab, was zuvor über seiner Schulter gehangen hatte, umfing das Reh mit beiden Armen und schirmte es vor dem ersten Jäger ab, der soeben die Böschung erreicht hatte. So schnell meine Beine mich trugen, rannte ich hinüber. Was ich dann sah, war das Gesicht der Wildnis selbst.
    Der Fremde war groß und mager und sein Gesicht voll dunkler Flecken, die teils Dreck,

Weitere Kostenlose Bücher