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Zoë

Titel: Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Carmichael
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späteren Nachmittag fand ein quälender Duft den Weg zu ihm. Er stieg ihm in feinen Kräuseln in die Nase, legte sich ihm wie ein unsichtbarer Kragen um den Nacken, verknotete sich unter seinem Kinn, und das Wasser lief ihm im Munde zusammen. Wie an einer Leine führte der Duft ihn zum Haus zurück.
    Geflügel, eindeutig. Aber nicht die gewöhnliche Art. Das da war ein wilder Vogel, gebraten. Köstlich! Der Duft lockte ihn zum Garten, zum Haus, auf die Veranda, zu dem Teller mit dampfendem Fleisch. Er wühlte die Schnauze hinein, verschlang noch das kleinste saftige Fitzelchen, bis sein Magen zum Platzen gefüllt und sein Gang eine Art Watscheln war. Er dankte dem Mädchen und der ganzen Menschheit.
    Er hörte einen plötzlichen bellenden Husten und schaute zur Einfahrt hinüber, wo in einiger Entfernung zum Haus ein Auto geparkt war. Aus einem der Fenster kringelte sich Rauch. Standen denn auf einmal alle in Flammen? Die Autotür ging knarrend auf und entließ eine dicke Rauchwolke ins Freie. Der Besucher stieg zögerlich aus, dann beäugte er den leeren Teller des Katers.
    Na, Miez, sagte er.
    In dem Moment kam das Mädchen aus dem Haus. Als es den saubergeleckten Teller des Katers sah, lachte es.
    Fred hat gemeint, ich hätte dir zu viel gegeben, sagte sie zum Kater. Fang jetzt bloß nicht an zu kotzen, hörst du?
    Die Autotür schlug zu. Das Mädchen blickte auf, sah den Besucher und erstarrte. Er richtete sich auf, sackte aber gleich wieder in sich zusammen. Er wirkte schüchtern und dreist gleichermaßen.
    Was machst du denn hier?, knurrte das Mädchen.

13
    Harlan Jeffers. I-Ah aus Pu der Bär , wie er leibt und lebt. Nie hätte ich gedacht, dass ich den noch mal wiedersehe.
    Er zitterte. Mit einer Hand hielt er sich den Mantelkragen fest zu, den anderen Arm schlang er um den Oberkörper. Er sah mich flehend an, doch mich konnte dieser erbärmliche Auftritt nicht täuschen.
    »Was du hier machst, hab ich gefragt!«
    Er senkte den Blick. »Ich bin total durchgefroren«, sagte er.
    »Total lächerlich bist du«, antwortete ich ihm.
    »Mir ist wirklich kalt, das ist die reine Wahrheit.«
    »Wenn du Geld willst, dann kannst du dich gleich wieder in dein Loch verziehen. Hau ab. Hier ist nichts zu holen für dich.«
    Er trat von einem Fuß auf den anderen und sah sich um, bis sein Blick an Herrn Kommkomms Teller hängenblieb. »Diese Katze hat besser gegessen als ich heute. Oder auch gestern. Oder sogar die ganze Woche, wenn ich’s mir genau überlege.«
    Ich betrachtete ihn. Er war tatsächlich abgemagert. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Man konnte ihn glatt für hundert halten. Das dämpfte meinen Ärger, aber nur ein bisschen.
    »Wie hast du mich gefunden?«
    »Artikel in der Zeitung.«
    »Welcher?«
    Er zog einen zerknitterten Zeitungsausschnitt aus der Tasche und hielt ihn mir hin. Herr K. verschwand unter der Veranda.
    »Aus der Farmville Times «, sagte Harlan. »Titelseite.«
    Ich nahm den Ausschnitt und las:
     
    PROMINENTER BILDHAUER ADOPTIERT NICHTE
     
    Der international anerkannte amerikanische Bildhauer und frühere Herzchirurg Henry Royster hat vor Gericht die gesetzliche Vormundschaft für seine Nichte Zoë Sophia Royster beantragt. Das Mädchen ist die Tochter der verstorbenen Mary Elizabeth Cantrell aus Farmville und Dr. Roysters Halbbruder, Jude Owen Royster, der außerhalb von Sugar Hill angefahren und tödlich verletzt wurde. Der Fahrer des Wagens beging damals Fahrerflucht. Dr. Royster und seine Nichte leben auf dem Anwesen der Familie in Sugar Hill.
     
    »Und?«, sagte ich. Würden demnächst alle von Mamas elenden Freunden hier auftauchen? Ich hielt Harlan den Ausschnitt wieder hin, aber er wollte ihn nicht. Also ließ ich ihn einfach fallen.
    »Tut mir leid, dass ich dich belästigt hab«, sagte Harlan. »Pass auf dich auf.«
    Er wollte gerade gehen, als die Haustür aufging und Onkel Henry herauskam, gefolgt von den anderen. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er. »Wer ist dieser Mann, Zoë?«
    »Harlan Jeffers. Wieder so einer, der Geld will, einer von Mamas Freunden.«
    »Will ich nicht«, sagte Harlan.
    »Was können wir für Sie tun, Mr Jeffers?«, fragte Henry.
    »Nichts, gar nichts«, beeilte sich Harlan zu sagen. Er war schon fast bei seinem Auto und winkte noch einmal über die Schulter zurück. »Tut mir leid, wenn ich beim Essen gestört hab. Bin gleich weg.«
    »Henry!« Bessie stand an der Tür, doch ihr lautes Flüstern war bis auf den Hof zu hören. »Der Mann hat

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