Zoë
ihrem Stuhl auf, und ihr Gesicht wurde ganz hart vor Zorn. »Also wirklich, Henry Royster und Fred Montgomery!«, fuhr sie die beiden an, und dabei schlugsie mit der Hand auf den Tisch. »Was redet ihr da? Das kann ja wohl nicht wahr sein!«
Noch nie hatte ich erlebt, dass Bessie Henry oder Fred gegenüber laut geworden war, und so wie die anderen am Tisch reagierten, ging es ihnen wohl genauso.
Fred war ehrlich erschrocken. »Wie bitte?«
»Du vor allem! Nennst diese Kinder Dummköpfe«, sagte Bessie. »Ausgerechnet du.«
»Wie meinst du das?«, fragte Fred.
»Also wirklich, du alter Heuchler!« Bessie starrte ihren Mann mit offenem Mund an, als wäre er ein Fremder.
»Wovon redest du überhaupt?«, fragte ich Bessie.
»Ich rede von den anderen törichten Kindern hier am Tisch.«
Ich schaute um den Tisch herum, sah aber keine. »Von wem denn?«
»Von Fred Montgomery zum Beispiel. Der vergessen hat, dass er selbst mal ein törichtes Kind war. Und von dir auch«, fügte sie mit Blick auf Henry hinzu.
»Lass mich da raus«, forderte Henry sie auf, und Fred sagte: »Fang jetzt nicht an, alte Geschichten wieder auszugraben.«
Bessie beachtete die beiden gar nicht, sondern wandte sich an mich. »Der Grund, weswegen Fred, Henry und der Sheriff Freunde sind«, begann sie, »ist der, dass Fred und Henry Garland Bean das Leben gerettet haben.«
»Wer ist Garland Bean?«, fragte ich.
»Der Sheriff, Schätzchen«, antwortete Bessie. »Garland ist sein Vorname.«
Fred winkte ab. »Henry hatte viel mehr dazu beigetragen als ich.«
»Red keinen Unsinn«, protestierte Henry. »Du hast ihn hochgeholt. Unter Wasser konnte ich ja nichts ausrichten.«
»Du bist doch genauso reingesprungen wie ich«, sagte Fred. »Und ich hätte ich ihn da unten gar nicht gefunden, wenn du ihn mir nicht gezeigt hättest.«
»Beide zusammen habt ihr den Kleinen gerettet«, beharrte Bessie.
»Welchen Kleinen?«, fragte ich ungeduldig. Dieses wirre Gerede machte mich langsam ganz verrückt.
»Garland Bean, Schätzchen«, antwortete Bessie. »Er war gerade mal fünf, als sie ihm das Leben gerettet haben.«
»Jetzt ist es genug, Bessie«, sagte Fred.
»Ja, wirklich«, warf Henry ein.
»Bitte, Bessie, erzähl«, sagte Helen und fügte mit Blick auf Henry und Fred hinzu: »So viele Helden in unserer Mitte – das wusste ich ja gar nicht.«
»Also, in Zukunft mache ich mir nicht mehr die Mühe, mir irgendwelche tollen Geschichten für meine Bücher auszudenken«, verkündete Franklin. »Ich komme einfach zu Henry und schreibe auf, was ich sehe und höre.«
Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. »Erst komme ich an die Reihe.«
Maud nickte. »Ich erinnere mich noch gut an die Geschichte. Das muss an die vierzig Jahre zurückliegen. Aber ich dachte immer, es seien die Jungs von den Wilsons und den Peters gewesen, die ihn gerettet haben. Haben sie nicht sogar Medaillen bekommen?«
»Das war die Version, wie sie in der Zeitung von Sugar Hill stand«, sagte Bessie säuerlich. »Und auch nur, weil die dem Vater vom Bürgermeister gehörte. Die Wahrheit war eine Woche später in der überregionalen Zeitung versteckt, aber da hat sie dann niemand mehr gesehen.«
»Wenn ich mich recht entsinne«, sagte der Padre und schienangestrengt nachzudenken, »dann ist die Sache passiert, kurz nachdem ich hergekommen bin. Ein paar Kinder haben im alten Steinbruch gespielt, oberhalb des Beckens, das sie zum Schwimmen benutzten. Sie sind reingesprungen.«
»Garland nicht«, unterbrach ihn Fred. »Er wurde reingestoßen, von zwei besoffenen älteren Schülern.«
»Einer davon war Delray Peters«, sagte Bessie.
»Wer ist das?«, wollte ich wissen.
»Der Bürgermeister«, flüsterte der Padre mir zu.
Ich konnte mir den Bürgermeister nur schwer als Jungen vorstellen, aber das Benehmen passte zu der Familie.
»Garland konnte nicht schwimmen«, fuhr Fred fort. »Außerdem hatte der da oben sowieso nichts zu suchen. Bessie und ich waren auf der anderen Seite des Beckens, wir wollten ein bisschen allein sein. Ich hab den Jungen schreien gehört, als er hineinstürzte. Wie ein Stein ist er im Wasser versunken. Jeder andere hätte dasselbe getan wie ich.«
»Jeder andere!«, höhnte Bessie. »Nicht einer von diesen Jeder ist hinter ihm hergesprungen. Nicht mal seine eigenen Geschwister. Die standen bloß da, ein Junge und ein Mädchen, schrien und weinten und riefen seinen Namen, so als würde er von allein wieder aus dem Wasser kommen. Aber noch nie hatte
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