Zoë
Maud, die mit sanfter Stimme auf Herrn Kommkomm einredete. Der beäugte sie, allerdings aus sicherer Entfernung, vom anderen Ende der Terrasse her – was auch gut war, denn der üble Gestank von Harlans Auto hing noch immer in seinem Fell. Ich ging hinaus, um mich bei Maud dafür zu bedanken, dass sie das weiße Reh verteidigt hatte. Sie hockte am Boden und erzählte Herrn K., was für ein hübscher Teufel er sei, und so wie sein Schwanz hin- und herwedelte, schien er ihr das Kompliment aus der Hand zu fressen, Wort für Wort.
Ich hockte mich neben sie. »Danke für die Hilfe.«
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Diese Schufte schießen doch auf alles, was sich bewegt.«
»Glaubst du, er lässt sich irgendwann mal streicheln?«, fragte ich.
Sie legte den Kopf schief. »Schwer zu sagen bei wilden Tieren, aber bei ihm habe ich ein ganz gutes Gefühl. Er hat sich schon so weit angenähert, anscheinend weiß er, dass er langsam alt wird. Meine Erfahrung sagt mir, dass er sich eines Tages einfach entscheiden wird.«
»Entscheiden?«, fragte ich.
»Ob er allein bleiben oder Freunde finden will. Vollständig zähmen lassen diese wilden Exemplare sich nie, aber ich würde sagen, dieser hier bewegt sich eher in Richtung Freundschaft.«
»Seinem Ohr geht’s besser«, sagte ich und zeigte mit dem Finger darauf. Er hatte die Augen jetzt geschlossen, aber er schien auf unsere Stimmen zu horchen, denn sein Schwanz ging immer noch hin und her.
»Das hatte ich vermutet.«
»Hast du Tiere?«
»Vier Katzen, ein Opossum und einen verkrüppelten Hund.«
»Wodurch verkrüppelt?«, wollte ich wissen.
»Ein Auto hat ihn angefahren, ich hab ihn am Straßenrand gefunden.«
»Oh.« Ich musste an meinen Daddy denken. Vielleicht ging es ihr genauso. Vielleicht würde ich sie irgendwann einmal fragen können, ob sie mehr über ihn weiß, aber noch wusste ich nicht, wie ich so ein Gespräch anfangen sollte, und auch nicht, ob ihr das recht wäre.
»Vielleicht magst du sie ja mal kennenlernen«, sagte sie, während wir aufstanden und zurück ins Haus gingen.
»Vielleicht.«
Wir setzten uns alle an den Tisch, der an einen verrückten Quilt erinnerte und sich fast bog unter dem Truthahnbraten mit Pekannussfüllung, Buttererbsen, kandierten Süßkartoffeln und dem dampfenden Maisbrot mit guter Butter. Beim Anblick all dieser Herrlichkeiten küsste Franklin Fred die Hand.
Bessie sprach das Tischgebet, darin dankte sie für Gottes schöne wilde Geschöpfe, für den Sheriff und friedliche Lösungen und für die große Freude, unseren Überfluss mit Ms Booker und Mr Jeffers teilen zu dürfen. Und mit einem Blick auf Henry und mich fügte sie hinzu, sie hege die Hoffnung, dieses Gefühl von Dankbarkeit möge unsere guten Seiten zum Vorschein bringen und verhindern, dass es nach dem Nachtisch ein Donnerwetter gäbe.
Danach schienen auf einmal alle deutlich entspannter. Die Unterhaltung bei Tisch war locker, hauptsächlich drehte sie sich darum, wie gut es allen schmeckte. Harlan saß zwischen mir und Bessie und schaufelte das Essen in sich hinein, bis ich ihn unterm Tisch vors Schienbein trat und er rot wurde und grinsend langsamer machte. Er verdrückte zwei große Portionen, dazu fünf Scheiben Maisbrot und zwei Stücke Kürbiskuchen mit Schlagsahne, wobei er das letzte Stück Franklin wegschnappte, der ungefähr genauso viel gegessen hatte.
»Für euch zwei zu kochen macht richtig Spaß«, sagte Fred, als er Franklins enttäuschtes Gesicht sah. »Es gibt noch einen Kürbiskuchen in der Küche, ich hole ihn gleich. Es muss sich also niemand vornehm zurückhalten.«
Henry folgte Fred in die Küche und kam mit einer Flasche Apfelschnaps zurück, den er für alle, die alt genug waren, in kleine Gläser goss. Für alle außer Harlan, der sagte, er habe dem teuflischen Flaschengeist für immer abgeschworen.
Bessie hob ihr Glas, und die anderen taten es ihr nach. Harlan und ich prosteten den anderen mit heißer Schokolade zu. Alle Gläser funkelten im Kerzenlicht.
»Auf mutige Kinder«, sagte sie und sah mich dabei an. Ich spürte, wie ich rot wurde. »Die anwesenden und die anderen.«
»Leichtsinnige Kinder«, verbesserte Henry sie mit finsterer Miene.
» Dumme Kinder trifft es wohl besser«, sagte Fred. »Wie leicht hätten sie umkommen können, sie oder auch wir. Curtis ist ein furchtbar schlechter Schütze. Letztes Jahr bei der Wachteljagd hat er sich den halben großen Zeh weggeschossen.«
Plötzlich richtete sich Bessie in
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