Zombies auf dem Roten Platz
die Haut der lebenden Toten.
Es war eine ziemlich lange Treppe. Hinter der letzten Stufe begann der Ubergang.
Zu sehen war dort nichts. Keine Schattengestalt zeichnete sich ab. Wir konnten hoffen, daß er von Zombies nicht besetzt war. Unsere Spannung stieg mit jedem Schritt, den wir zurücklegten. So leer und tot konnte das Kraftwerk nicht sein. Welches Ziel härten die lebenden Toten sonst haben können?
Ich dachte an die Brennkammer, das Herz des Kraftwerks. Sollte es ihnen vielleicht gelungen sein, dort hineinzugelangen? Allmählich mußten wir davon ausgehen. Es war sehr still. Nur unsere behutsam gesetzten Schritte vernahmen wir. Weil es so still war, vernahmen wir auch den Schrei. Sogar die Stimme hatten wir erkannt. Sie gehörte Wladimir Golenkow!
***
In Alpträumen während seiner Jugendzeit hatte Wladimir Golenkow das erlebt, was ihm jetzt widerfuhr. Lebend in einen Sarg gesteckt zu werden. Das war grauenhaft.
Und er hatte sich nicht einmal wehren können. Zu viert waren sie über ihn hergefallen. Noch im nachhinein spürte er den Druck der schwammigen Hand, als sie sich auf seinen Mund gepreßt hatte und jeden Schrei schon im Ansatz erstickte. Die Zombies harten drei Schläge gebraucht, um ihn ins Reich der Bewußtlosigkeit zu schicken.
Erwacht war er auf einem Floß. Umringt von Zombies. Auch Frauen befanden sich darunter. Eine von ihnen hielt ein gefährliches Messer in der Hand. Dann hatte er den Sarg gesehen. Er war zu schwach gewesen, um sich wehren zu können. Sie hatten ihn einfach hineingelegt, irgendwann den Deckel wieder hochgehoben, damit er mitbekommen konnte, wie wenig Chancen auch seine Freunde hatten, ihn zu retten.
An die nächste Zeit erinnerte er sich nur mit Schrecken Kaum war der Deckel wieder zugefallen, als die Angst in ihm hochpeitschte. Es war eine Angst, wie er sie noch nie in seinem Leben erlebt hatte. Höchstens in den pubertären Träumen.
Das Herz schlug überlaut, er merkte das Schaukeln des Floßes und stellte auch fest, daß man ihm die Waffen abgenommen hatte. Wehrlos befand er sich in den Krallen der lebenden Leichen. Sie schafften ihn weg.
Wohin, das war ihm unbekannt. Er konnte nur raten und richtete sich darauf ein, in das Atomkraftwerk geschafft zu werden, falls er bis dahin nicht erstickt war.
Die Luft im Sarg reichte nur für kurze Zeit.
Nachdem er die erste Angst überwunden hatte und klar überlegte, ging er sofort dazu über, flacher zu atmen. Er wollte mit dem Sauerstoff haushalten, denn solange man ihn am Leben ließ, gab es auch noch eine Chance. Das jedenfalls hatte man ihm während der Ausbildung eingetrichtert.
Aus eigener Kraft konnte er sich nicht befreien. Zwar versuchte er es und stemmte von innen her seine Handflächen gegen den Sargdeckel, aber der saß so fest, daß er ihn nicht um einen Millimeter von der Stelle bewegen konnte. So blieb er liegen.
Am Schaukeln der Totenkiste erkannte er, daß er sich noch immer auf dem Floß befand. Er versuchte nachzurechnen, wann sie das von ihm angenommene Ziel erreicht haben konnten, zu einem konkreten Ergebnis kam er nicht.
Obwohl es im Sarg hundekalt war, spürte er den Schweiß. Er lag überall auf seinem Körper und war eine Reaktion der heißen Angst. Sekunden wurden für ihn zu Minuten. Sie dehnten sich so sehr in die Länge, doch irgendwann hat alles mal ein Ende. Auch diese Fahrt im Sarg.
Wladimir Golenkow merkte es daran, daß das Floß irgendwo gegenstieß, sich drehte und dann stillstand.
Er hörte Schritte. Die Echos leitete das Holz gut, so daß sie auch an Golenkows Ohren drangen und regelrecht dröhnten.
Die Zombies begannen zu »arbeiten«. Schon sehr bald merkte er, daß sein Sarg in die Höhe gehoben wurde. Im ersten Augenblick schwankte er noch, und Wladimir befürchtete, daß man ihn fallen lassen würde, doch der Sarg wurde wieder aufgefangen und von seinen Gegnern weitertransportiert.
Er hörte keinen Laut.
Die Zombies redeten nicht, wahrscheinlich konnten sie es auch nicht, sie waren stumm und beschäftigten sich nur mit ihrer Aufgabe, die sie zu erfüllen hatten.
Die Luft war schlechter geworden.
Wladimir gelang es trotz allem, seine Angst zu unterdrücken. Er mußte sich darauf konzentrieren, so sparsam wie möglich mit dem Sauerstoff umzugehen. Er wurde noch immer getragen, wobei der Sarg stets schaukelte. Daran hatte er sich aber mittlerweile gewöhnt. Nicht einmal die Schritte der Untoten vernahm er. Irgendwann hörte er auch auf, sich für die Außengeräusche zu
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