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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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in die andere Richtung, ehe sie, von nichts Besonderem abgelenkt, ihren Idiotenkurs korrigierten. Es war Mark Spitz’ erster Blick auf Manhattan seit dem Ausbruch der Seuche, und er dachte bei sich, »mein Gott, es ist von Touristen überrannt worden«.
    So wie es um die Versorgung mit Diesel bestellt war, erschien das Pferd sinnvoll, und die Mähre war durchaus bereit, den an die Kutsche angehängten, großen Metallkarren zu ziehen, mit dem der Entsorgungsdienst downtown seine Runde drehte und hinter den Sweepern aufräumte. Bringt eure Toten nach draußen. Die Jungs und Mädels vom Entsorgungsdienst zogen ihre Schutzanzüge niemals aus, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit, auch wenn sie freihatten und mit allen anderen in Wonton herumzogen. Vielleicht wissen sie etwas, was wir nicht wissen, dachte Mark Spitz, wenn er sah, wie sie ihre Verpflegungspakete fassten und in das Gebäude zurückeilten, das sie mit Beschlag belegt hatten. Sie hatten mit Klebeband eine Duschvorhangstange am Schmutzbrett der Kutsche befestigt und an diese eine Glocke gehängt, die letztlich irgendwie eher fröhlich als makaber klang, wenn sie in der Ferne verhallte.
    Gary schnappte sich den Stapel von neuen Leichensäcken, den der Entsorgungsdienst dagelassen hatte – die Entsorger führten peinlich genau Buch und gaben erst neue aus, wenn der Vorrat einer Einheit zur Neige ging –, und die drei stiegen die Treppe hinauf, um die Arbeit in dem Gebäude abzuschließen.
    Es war immer beunruhigend, leeren Asphalt zu sehen, wenn man gerade erledigte Skels abgelegt hatte. Es war, als wären sie einfach weggegangen.
    Sie verstopften die Tunnel und blockierten die Brücken. Sie machten an den vorherbestimmten Stationen, d.  h. an jeder, die südlich des geplanten Verlaufs der ersten Mauer lag, die Subway dicht. Die Hubschrauber ließen die hin und her schwankenden Betonsegmente eines nach dem anderen über der gesamten Breite der Canal Street herab, während sich die Toten mit stierem Blick durch den von den Rotorblättern aufgewirbelten Staub krallten. Mehr als nur ein paar der Unglücklichen wurden pulverisiert. Vielleicht war das auch die Absicht der Piloten. Der letzte Mauerabschnitt wurde am Flussufer herabgesenkt. Jetzt hatten sie eine Zone.
    Die Soldaten landeten im Bereitstellungsraum am Battery Park, unweit des Korean War Memorial. Sie sprangen aus den Truppentransportern, die Marines dieser Generation, und leiteten die erste Säuberungsaktion ein. Hinsichtlich der Skel-Dichte südlich der Canal Street erwiesen sich die Schätzungen von Buffalo als erstaunlich stümperhaft. Wie hätten sie die Scharen berechnen können, die in den großen Gebäuden lauerten? Beim Lärm der Soldaten strömten die Toten auf die Straße. Was durchaus beabsichtigt war. Die Infanteristen benutzten sich selbst als Köder, und ihre Beschimpfungen, Kriegsschreie und Melodien lockten ganze Schwärme der Toten in ihr Maschinengewehrfeuer.
    Sie seilten sich aus Kampfhubschraubern auf Schlüsselkreuzungen ab und eliminierten hundert zuckende Skels, ehe sie sich wieder an die Kabel anklemmten und aus der Angriffszone schwebten, Feen der Zerstörung im Tarnanzug. Sie bombardierten, feuerten Salven ab und meisterten die Kopfschüsse, Wirbelsäulendurchtrenner und Schädelsprenger, die die Toten auf den Bürgersteig schleuderten, gegen Zeitungskästen, Hydranten, zum Schutz gegen Terroranschläge aufgestellte Pflanzenkübel und unergründliche, von Firmen gesponserte öffentliche Kunstwerke. Die Soldaten erledigten Ziele auf Feuertreppen, wo diese zusammensackten wie in schmiedeeisernen Spinnweben gefangene Motten. Tötungstechniken unterlagen zyklischen Trends – diese Woche in, die nächste out –, während die Soldaten Tipps und Zufallsentdeckungen verfeinerten und austauschten. Jeder hatte seine eigene Art und Weise, mit den Dingen umzugehen. Die roten Tränen von Leuchtspurgeschossen gellten durch die Straßen, und verirrte Kugeln schlugen Krater in die Fassaden von Banken, Kirchen, Gebäuden mit Eigentumswohnungen und Franchise-Läden, jeden kultischen Ort, den eine Stadt zu bieten hat. Prächtige Glasscheiben krachten zu ihrer Musik herunter und brachten geometrische Formen hervor, die es in der Weltgeschichte noch nie gegeben hatte und die ihrerseits zu noch neueren Formen und glitzerndem weißem Staub zersplitterten. Patronenhülsen tanzten und hüpften auf dem Asphalt wie weggeworfene Zigarettenstummel. Die Wolkenkratzer und Avenue-Klüfte, jene

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