Zone One: Roman (German Edition)
sich dem kleinen Festessen am Empfang an. Bei zähem Wildvogel-Chili erzählte Lonnie der Gruppe, sie seien unterwegs nach Buffalo. Sie hätten Gutes gehört, echte Soldaten getroffen, die dort gewesen seien und davon gesprochen hätten, dass alles wiederaufgebaut werden solle. Keiner glaubte ihnen. Den Simons war das egal. Sie steuerten fünf Schokoladenkekse bei, wenn er sich recht erinnerte, die geviertelt und in der Runde verteilt wurden.
Ehe sie wieder auf ihr Zimmer gingen, baten sie Mark Spitz, sie zu fotografieren. »Wir möchten gern alles dokumentieren«, sagte Rob und legte ihm die Kamera in die Hände. Es musste mühsam gewesen sein, den Apparat geladen zu halten; es war eines der letzten Modelle, ein Kubus ohne Tasten aus Japan, der alles konnte. Die Familie stellte sich neben der schäbigen Kaffeemaschine auf und nahm ihre, wie er vermutete, Standardpose ein, nicht lächelnd, aber auch nicht verstimmt oder melancholisch. Dann fragten sie, ob sie Mark Spitz fotografieren dürften.
»Wozu denn das?«
»Damit wir uns erinnern können, wie du aussiehst«, sagte Lonnie.
Die Simons checkten bei Tagesanbruch aus. Am nächsten Tag, kurz nach Mittag, kamen Banditen. Sie exekutierten einige Motelbewohner und folterten andere in einem langen Spiel, das sie sich ausgedacht hatten und mit dem sie die Logik des Körpers testen wollten. Irgendwann bot sich eine Gelegenheit zur Flucht, und die meisten Gäste entkamen unversehrt. So weit, wie das Elend schon fortgeschritten war, wussten sie, wie der Hase lief. Doch das war das Ende der Hochzeitsgesellschaft, und es hieß, auf zur nächsten menschlichen Siedlung.
Es gab keine andere Realität außer dieser: Zur nächsten menschlichen Siedlung weiterziehen, bis man die letzte fand, und dort starb man dann.
Die Parabel seiner Reise zurück in die Stadt. Um in Bewegung zu bleiben, in dem Sinn, wie Mim es gemeint hatte. Er hatte schon immer in New York wohnen wollen, aber diese Stadt gab es nicht mehr. Er wusste nicht, ob die Welt untergehen oder gerettet werden würde, aber was auch immer als Nächstes kam, es würde nicht so aussehen wie das, was vorausgegangen war. Es gab keine Gemeinsamkeiten mit den Avenues von Buffalos schimmernden Wiederaufbauten, seine Boulevards hatten nichts mit deren Simulationen und Dioramen von Zukunft zu tun. Es verweigerte sich den Formen, die Mark Spitz in seinen Vorstellungen von Neuerfindung in der Großstadt heraufbeschwor.
Er ließ sein neues Gewehr fallen und hob sein altes auf. Es hatte ihn durch die Zone gebracht. Es würde ihn auch hinausbringen. Warum sie überhaupt versucht hatten, diese Insel in Ordnung zu bringen, verstand er nicht mehr. Am besten, man ließ das zerbrochene Glas zerbrochen sein, ließ es in noch kleinere Stücke und Staub zerfallen und verfliegen. Sollten sich die Ritzen zwischen den Dingen ruhig verbreitern, bis es keine Ritzen mehr waren, sondern die neuen Orte für die Dinge. Da befanden sie sich jetzt. Die Welt ging nicht unter: Sie war untergegangen, und nun befanden sie sich an dem neuen Ort. Sie konnten ihn nicht erkennen, weil sie ihn noch nie gesehen hatten.
Mark Spitz suchte seine Ausrüstung zusammen. Er nahm alles aus Garys Rucksack, was er gebrauchen konnte. Korsika verstaute er in seiner Gesäßtasche. Er winkte seinem Freund zu und schloss die Wohnungstür.
Im Fluss der Straße dümpelten die Toten in ihrer unsichtbaren Strömung. Das waren nicht die von ihren vollkommenen Augenblicken gebannten Irrläufer des Lieutenants, die sich zu einer lang verschwundenen Version ihrer selbst durchkrallten, die nur noch als Schemen existierte. Das waren die zornigen Toten, das gnadenlose, fleischgewordene Chaos der Existenz. Das waren diejenigen, die die kaputte Stadt neu besiedeln würden. Niemand sonst.
Er war bereit. Seine Chancen, es bis zum Fähranleger zu schaffen, schätzte er nicht allzu günstig ein. Wer weiß, wie viele andere es dorthin geschafft hatten, die Gruppe mit dem Lastwagen, die diversen Leute der Garnison. Offiziere, Köche und Schreiber. Er hoffte, die Sweeper räumten ordentlich auf, während sie sich downtown durchschlugen, oder setzten den makellosen Plan um, der sich der allgemeinen Verzweiflung entzog. Und wenn Mark Spitz sich tatsächlich irgendwie bis zum Fähranleger schoss, knüppelte und mogelte, was dann? Es war töricht, von Rettung zu träumen.
Der Klang schwebte zwischen den Gebäuden hindurch, das Klingeln und die schwachsinnige Melodie, die jeder Schritt des
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