Zone One: Roman (German Edition)
Anteil an den Antiseptika des Landes, eine ordentliche Zuteilung aus dem neu entdeckten Zahnseidevorrat, und – noch wichtiger – hortete Morning Glory in böser Absicht Toilettenpapier, oder litt man dort nur an einer campweiten Magen-Darm-Verstimmung? Er verzeichnete alles auf gesponsertem Recyclingpapier, in Langschrift, wie in den finsteren Zeiten vor dem Computer. Es verkürzte einem die Zeit.
Als die Nachricht von der Operation im Nordöstlichen Korridor kam, hungerte Mark Spitz geradezu nach einer Veränderung. Er steckte seinen Zettel in das Kästchen, und als sie die Namensliste an der Wand des Gemeinschaftszentrums anschlugen, gleich neben dem Verzeichnis der Überlebenden des Tages, jubelte er zum ersten Mal seit jenem letzten Abstecher nach Atlantic City, als Kyle in eine Glückssträhne hineinstolperte und der Würfeltisch eine Zeitlang durchdrehte. Was die neue Verwendung anging, so hörte sich Freiräumen des Korridors nicht allzu schrecklich an und schien sowohl den ordentlichen Tugenden des Siedlungslebens als auch dem freibeuterischen Nervenkitzel der Vabanquespielerei im Ödland genügend Raum zu bieten.
Im Film der Endzeiten sind die Straßen, die in die evakuierte Stadt führen, häufig frei und die Strecken aus der Stadt mit liegengebliebenen Fahrzeugen verstopft. Ob die staatlichen Supercomputer berechnet haben, dass der Meteor ohne jeden Zweifel das Zentrum verwüsten wird, oder die genetisch veränderten Killer-Kakerlaken die Stadt erobern, auf den stadteinwärts führenden Fahrspuren gibt es keinerlei Behinderungen. Es sorgt für einen starken visuellen Effekt, wie der verrückte Held in die zum Untergang verurteilte Metropole zurückkehrt, um sein Kind oder seine Freundin zu retten oder um die verschlüsselte Datei aufzuspüren, die die Katastrophe vielleicht – nur vielleicht! – gerade noch abwendet, wie er mit hundertsechzig Stundenkilometern in die verfluchten Bezirke rast, während alle anderen Bürger abhauen, die Augen schreckgeweitet, den Mund mit weißen Schaumspritzern dekoriert.
In Mark Spitz’ spezieller Apokalypse waren die Menschen chaotisch und befolgten die Regeln nicht, und jede hinein- und hinausführende Fahrspur, jede Arterie und Vene, war mit aus der Stadt führendem Verkehr verstopft. Eine ausgeweidete Stadt, deren Innereien herausquellen, wird immer zur Unordnung neigen. Willst du gegen den Strom des gesunden Menschenverstandes ankämpfen, edler Protagonist, wirst du Ärger bekommen. Eine Zeitlang legen die hektischen Evakuierten kostbare Distanz zwischen sich und die Zerstörung. Die Autos und Lkws ruckeln vorwärts, stoppen, stottern, eine Schlange schwenkt auf den Standstreifen ab, und schon gibt es eine neue Fahrspur, teure Spritschlucker mit Allradantrieb benutzen die Straßen gar nicht mehr, sondern preschen durch das teilgestaltete Grün am Rand des Highways und mähen dabei das Schild nieder, das einem mitteilt: DIESER ABSCHNITT VON ROUTE 23 WIRD VOM MORTVILLE SENIORENCHOR UNTERHALTEN . Die Fahrer und Beifahrer wollen nicht sterben. Sie haben die grausigen Demaskierungen anderer miterlebt, sind in Panik versetzt und beschämt davon, wie rasch sie selbst das Beiwerk der Zivilisation über Bord geworfen haben. Ein bestimmter Prozentsatz wird es schaffen, wird zu einer der Rettungsstationen entkommen, von denen sie im Radio gehört haben, wir müssen einfach, und he, bilde ich mir das nur ein, oder haben die Ansager tatsächlich aufgehört, die Benjamin Franklin Elementary School zu erwähnen, meint ihr, da ist noch wer?
Die Fahrzeuge bleiben stehen. Irgendein Hindernis an der Spitze der Schlange, das sie nicht sehen können. Quälend. Entlang der Straße geben Leute laut rufend Gerüchte weiter. Auf dem Rücksitz regt sich Tante Ethel, ihr neues Gehirn erteilt Befehle, ihr Makrameetuch gleitet ihr vom Busen, und sie beißt einen Fetzen Fleisch aus Jeffrey Fitzsimmons’ Nacken, und Neffe Jeffrey lenkt den zwei Jahre alten SUV in den japanischen Kleinwagen der Petersons, der so mit Erbstücken, Mineralwasserflaschen und Campingausrüstung vollgestopft ist, dass Sam Peterson kaum zu den Fenstern hinausschauen kann – nicht, dass er, selbst wenn er die Fitzsimmons hätte kommen sehen, Zeit zum Ausweichen gehabt hätte. Zack, Bumm, Wusch des sich aufblasenden Airbags, das Quietschen, mit dem Metall Fleisch aufspießt, in Materialanordnungen, die von Crashtest-Sachverständigen nicht vorauszusehen sind. Die acht in den Auffahrunfall verwickelten Fahrzeuge
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