Zores
Schnauzbartträger mit Stiernacken und leuchtend roter Nase öffnete. Der Mann schien unter latentem Bluthochdruck zu leiden, denn seine Hautfarbe war mehr als ungesund. Das war sein Gewicht wohl auch, denn obwohl der Mann um einiges kleiner war als Bronstein, wog er sicher weit mehr als hundert Kilo. Feindselig starrte er sein Gegenüber an. „Was is?“
„Guten Tag, Oberst Bronstein von der Mordkommission. Ich …“
„Mit an Juden red i nix.“ Frank schickte sich an, die Tür wieder zu schließen. Bronstein stellte den Fuß dazwischen.
„Sie können sich gern mit meinen arischen Kollegen unterhalten. Auf der Elisabethpromenade. Nachdem wir Sie dort 72 Stunden dunsten haben lassen. Und dummerweise vergessen die Justizwachebeamten dort dauernd auf die Menage für die Häftlinge.“ Dabei lächelte Bronstein geringschätzig. Frank schien tatsächlich ins Schwanken zu kommen. Dann aber fasste er sich wieder: „A wos, in 72 Stunden g’hört des Land schon uns.“
„Umso blöder, dass just am Weg zur Sissi so ein blöder Unfall passiert sein wird. Alle Nazis jubeln – und Sie sind einfach nur tot.“
„Wollen S’ mir drohen?“ Frank klang fraglos ängstlicher als es ihm lieb war.
„Schauen S’, Herr Frank, jetzt reden Sie ja eh schon mit einem Juden. Da können S’ mir doch die paar Auskünfte, dieich haben will, auch noch geben. Und dann bin ich auch schon weg, und nix is g’schehen.“
Frank zögerte.
„Sonst muss ich wirklich den Kollegen Schwarz holen, der grad im ersten Stock bei der Vejvoda ist. Und da können Sie sich ja vorstellen, dass der ned grad in guter Laune ist, wenn er da raufkommt. Außerdem is des ein Kerl von zwei Meter und war früher Berufsringer. Und er hat seine Aggressionen nie im Griff. Also was ist, Herr Frank? Halten Sie’s aus ein paar Minuten – mit mir?“
„Wenn’s sein muss. Aber reinlassen in meine Wohnung tu ich Sie nicht.“
„Passt schon. Sagen Sie mir nur, was Ihnen zum Mord an Ihrem Parteigenossen Suchy einfällt.“
Jetzt sah Frank ehrlich überrascht aus: „Was, der Walter ist … ermordet, sagen Sie?“
„Sagen Sie bloß, das hat sich noch nicht bis zu Ihnen durchgesprochen?“
„Nein. Hat es nicht.“ Frank hielt sich an der Tür fest. Bronstein konstatierte etwas Gehetztes in Franks Blick. Der Mann schien ehrlich betroffen zu sein. Und das Flackern in den Augen verriet, dass der Dicke Angst hatte.
„Es ist heute in der Nacht geschehen. Irgendwann zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr früh. Haben Sie da irgendetwas bemerkt?“
„Ich bin kurz nach zehn ins Bett gangen. Vorher hab ich noch eine Zigarette g’raucht. Dabei hab ich auf die Gasse g’schaut und g’seh’n, wie der Schönberger grade weggeht. Mit einem zweiten Parteigenossen, den ich aber von hinten nicht erkannt hab. Ich hab mir noch denkt: Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Und dann hab ich mich niederg’legt. Bin gleich eing’schlafen.Und um sieben wieder auf. So wie jeden Tag. Mehr kann ich nicht sagen. Ehrlich ned!“
Ohne zu wissen warum, glaubte Bronstein dem Nazi. Er hätte nur zu gerne gewusst, wovor der sich fürchtete. „Hat der Herr Suchy irgendwelche Feinde g’habt?“
„Sie machen mir Spaß. No na ned! Wie jeder in der Bewegung! Juden, … Tschuldigen schon, … Sozis, Kommunisten, … na und die Schergen vom Schuschnigg erst recht. Da kommt ganz schön was z’samm.“
„Und hätten S’ einen konkreten Verdacht auch? Ich mein’, die Jedlicka hat ausgesagt, nach zehn Uhr abends ist da niemand mehr hereingekommen in das Haus. Könnte es eine von den Parteien gewesen sein?“
Frank schüttelte nur den Kopf. „Von denen hätt sich das keiner getraut.“
„Wie war eigentlich Ihr Verhältnis zum Herrn Suchy?“
„Wie soll das schon g’wesen sein? Er war überall mein Ober. Da im Haus, in der Partei und in der SA aa. Und zu mir war er immer sehr korrekt, falls Sie das wissen wollen.“
„Na gut, Herr Frank. Das war’s auch schon wieder. Ich würde Sie allerdings bitten, sich zu unserer Verfügung zu halten, falls wir noch etwas von Ihnen brauchen. Fürs Erste einen guten Tag zu wünschen.“
Der Frank schlug plötzlich die Hacken zusammen und riss den rechten Arm nach oben: „Heil Hitler!“, brüllte er und wurde von der Anstrengung der Aktion nur noch röter im Gesicht. Bronstein unterdrückte eine bissige Replik und begab sich auf die Treppe, die in das nächste Stockwerk führte.
Dort klopfte er zuerst bei Stadlers. Eine löwenmähnige
Weitere Kostenlose Bücher