Zores
irgendjemand im Speziellen?“
„Sowohl als auch. Die haben sich ja andauernd hier getroffen. Die Krösusse der Bewegung, nicht, die sind da alle aus und ein gegangen. Und jedes Mal habe ich mir gedacht: Unddas soll jetzt das Herrenmenschentum sein? Nein, ehrlich, Herr Oberst. Eine unmögliche Bagage war das. Natürlich alles keine Deutschen, sondern lupenreine Slawen. Suchy heißt ja eigentlich …“
„Der Trockene, ich weiß“, meldete sich Bronstein zu Wort.
„Genau. Und die anderen haben ihre Namen geändert, damit man nimmer merkt, wo die eigentlich herkommen. Der Suchenwirth, der hat eigentlich …“
„Suchanek g’heißen. Auch das weiß ich.“
„Na sehen S’. Und der Jungnazi, der von der HJ, der da dauernd aus und ein geht, der nennt sich Schönberger. In Wirklichkeit heißt der Krasnohorsky und kommt aus Trautenau im Böhmischen. Ich sag Ihnen ja, die sind allesamt so arisch wie der Erlöser höchstselbst.“
Bronstein überlegte, ob Matuschek nun den Heiland oder aber Hitler meinte, wollte es so genau aber gar nicht wissen. Daher beschränkte er sich auf ein Nicken.
„Na, und was der Suchy sonst noch war, das werden S’ eh schon wissen! Oder waren S’ noch nicht bei der Jedlicka?“
„Doch.“
„Na dann, dann wissen S’ eh, wo S’ suchen müssen. Das heißt, wenn sich das überhaupt noch auszahlt.“
„Auszahlt? Wieso?“
„Na hören Sie, Herr Oberst! Sind Sie der Einzige, der nicht mitbekommt, was gerade so alles vor sich geht?“
„Doch, doch, Herr Hofrat, ich bin durchaus im Bilde. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass Österreich nach der Volksabstimmung wieder etwas Luft haben wird, allen Nazis zum Trotz.“
„Ihr Wort in Gottes Ohr, werter Herr Oberst. Allein, ich vermag Ihren Optimismus nicht zu teilen, mit Verlaub. DiesesLand steht so sehr am Abgrund, dass auch eine erfolgreiche Abstimmung – und es bleibt ja abzuwarten, ob die überhaupt positiv ausgeht, nicht wahr – nur eine kurze Atempause bedeuten würde.“
„Also für einen Beamten haben Sie eine ziemlich pessimistische Sichtweise, Herr Hofrat“, ließ Bronstein seiner Verwunderung freien Lauf.
„Na wundert Sie das, lieber junger Freund? Das war doch alles absehbar! Diese unglaubliche Torheit, eine Monarchie, die unser Land zu einer ungeahnten Größe geführt hat, einfach so abzuschaffen! Da musste es mit diesem Staat ungebremst bergab gehen, das ist doch vollkommen klar!“
Matuschek registrierte Bronsteins skeptischen Blick. „Schauen Sie, Herr Oberst, diese Republik, nicht wahr, das ist doch ein hybrider Unfug! Die Wahrheit ist, dass die Republik mit einer Präzision, die uns noch im Nachhinein zu Erfrorenen machen müsste, Österreich vor aller Welt lächerlich gemacht und zerstört hat, und dass wir in den letzten beiden Jahrzehnten von einer pervers-impotenten Parteiendiktatur, die im Parlament, dem sogenannten Hohen Haus der Republik, ihre Schmutzwäsche gewaschen hat, in einen noch tieferen Abgrund geführt worden sind.“
„Aber Herr Hofrat, sehen Sie das nicht ein bisserl gar zu hart?“
„Mitnichten, Herr Kollege, mitnichten. Glauben S’ mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich habe lange genug Dienst in diesem Kasperltheater gemacht. Da sind ungehobelte Bauern g’sessen und primitive Proleten. Beide Seiten keinerlei Bildung, dummdreist und schamlos. Das war nicht mehr das Haus, dem ich mich einst verschrieben habe, wissen Sie! Damals, im 97er Jahr, als ich in den Dienst der Parlamentsdirektion eingetreten bin, da haben wir Agronomen, Schriftsteller undUniversitätsgelehrte als Mandatare gehabt. Nach 18 sind dort dann Bierkutscher, Krauterer und Hendlbauern g’sessen. Da hat es einen schon überrascht, wenn die überhaupt ihren eigenen Namen schreiben konnten. Na, und diese sogenannten Volksparteien, völlig gleichgültig, ob Sozis, Christen oder Deutsche, die haben aus dem Parlament eine Schmierenkomödie g’macht. Als Erstes haben die den Klubzwang erfunden. Das hätt es im Herrenhaus niemals gegeben, verstehen S’! Das hätt sich ein Liechtenstein oder ein Schwarzenberg nicht bieten lassen. Aber so ein proletarisches Zwutschkerl, bitte schön, das ist doch froh, wenn man ihm sagt, was es zu tun hat. Und der Keuschler von der anderen Seite grad a so! Da hat’s auf beiden Seiten ein paar gegeben, die gewusst haben, wie das Geschäft geht, und der Rest, das war nur das Vieh, das dazu geblökt hat. Widerlich! Dass wir den Krieg verloren haben, das war unser Untergang!“
„Sind
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