Zores
hinten auf die Sessellehne plumpsen. „Cerny!“, rief er aus. „Wer lässt dich denn so einen Mist glauben?“
„Aber wenn ich es dir sage. Das kommt von absolut zuverlässiger Seite.“
„Jetzt glaub doch nicht jedes Schauermärchen, Cerny. Der Schuschnigg sagt die Volksabstimmung nie und nimmer ab. Dafür ist er viel zu gerne Bundeskanzler. Und genau deshalb wird er sich einem solchen Vorgehen auch niemals beugen.“
„Die haben ihm damit gedroht, dass die Wehrmacht bei uns einmarschiert, wenn er nicht klein beigibt.“
„Jetzt mach aber einmal einen Punkt. Das ist doch absurd.“ Bronstein machte eine vage Geste, die ziemlich italienisch aussah, ohne dass man erahnen konnte, was sie konkret bedeuten mochte. „Ich sehe ihn förmlich vor mir, den fetten Göring, wie er da auf den Tisch haut. Na und? Wen kratzt der?“ Bronstein lächelte. Er äffte Göring nach: „Und wenn nicht, dann Wasser marsch!“
„Du, David, das ist kein Spaß!“ Cernys Stimme hatte eine eindringliche Note angenommen. „Die Information kommt aus einer absolut zuverlässigen Quelle. Wenn der Schuschnigg nicht zurücktritt, dann marschieren die Nazis ein. Und du weißt, was das für jemanden wie dich bedeutet.“
„Ein so ein Topfen! Du glaubst doch nicht im Ernst, dass der sich das traut, der Hysteriker aus Braunau, der. Da machen doch der Engländer und der Franzos nie mit.“ Bronstein hob die Hand, um Cernys Entgegnung Einhalt zu gebieten. „Ich weiß genau, was du jetzt sagen willst. Aber das Rheinland unddie G’schichte an der Saar, das waren letztlich innerdeutsche Angelegenheiten. Da hat er sich nur zurückgeholt, was sowieso Deutschland gehört. Aber bei Österreich ist das etwas anderes. Darum muss die Entente da auch einschreiten. Außerdem lässt sich das der Mussolini sicher auch nicht so ohne Weiteres gefallen.“
„Da mach dir amal bloß keine Illusionen. Die Alliierten werden tatenlos zuschauen, das sag ich dir! Und weißt du auch, warum? Weil wir uns in den letzten Jahren um jede Sympathie gebracht haben, die wir vielleicht noch irgendwo besessen haben. Und die Menschen haben den Ständestaat ohnehin satt. Für die ist der Hitler die Erlösung.“
„Komm, komm, Cerny, jetzt übertreibst aber gewaltig. Sicher, die Nazis sind in den letzten Jahren nicht gerade weniger geworden. Aber mehr als zehn Prozent der Bevölkerung haben die nie und nimmer hinter sich.“
Cerny sah Bronstein mit ernster Miene an: „Ich bin der Erste, der sich freut, wenn ich unrecht habe. Aber wir sollten die Möglichkeit einer Machtübernahme durch die braunen Horden immerhin in Erwägung ziehen. Ich …“
„Jetzt sollten wir einmal in Erwägung ziehen, wer den Suchy g’macht hat“, erklärte Bronstein bestimmt. „Pflichtest du mir bei, wenn ich sage, aus dem Haus war’s niemand?“
Cerny seufzte und sagte dann: „Ja, ein Motiv ist da nirgendwo zu entdecken.“
„Genau. Und Motive gibt es in dieser Sache drei: das Erbe, also ein finanzielles Motiv, die Politik und Rache.“
„Du meinst, irgendein Vater hat das mit den Kindern spitzgekriegt und deswegen zugeschlagen?“
„Na ja, möglich wär’s immerhin! Wir müssen also herausfinden, wer aller beim Suchy Unterricht bekommen hat. Außerdemhaben wir seinen Notar oder Anwalt zu finden, um feststellen zu können, wer ihn beerbt. Und schließlich wird man den braunen Lokalgrößen auf den Zahn fühlen müssen. Dem Frauenfeld, dem Suchenwirth und dem Neubacher, würde ich einmal meinen.“
Cerny lachte auf. „Du machst mir wirklich Spaß. Da stehen die ganz knapp davor, die Macht im Staat zu übernehmen, und da willst du, der in ihren Augen einer von den Juden ist, die gleich nach der Machtübernahme entfernt werden sollen, die verhören? Die lassen dich einfach totschlagen im Moment. Fertig und aus!“
„Cerny, schön langsam gehst mir am Nerv mit deinen Untergangsvisionen. Du kannst mir den Hobel ausblasen mit dera G’schicht’. Mir ist wurscht, was da rundherum passiert. Der Frauenfeld und die anderen, die sind potenziell verdächtig. Und daher werd ich sie mir vorknöpfen. Ganz einfach.“
„Die werden dich gar nicht vorlassen. Und der Frauenfeld ist in Deutschland. Den kannst also überhaupt vergessen.“
In Bronstein stieg allmählich die Wut hoch. Cerny hatte ja recht, das ließ sich nicht leugnen. Aber er, Bronstein, war noch nie in einer solchen Lage gewesen. Er fühlte sich hilf- und wehrlos. Was, wenn Cernys Prophezeiungen wahr wurden? Er wüsste ja
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