Zores
bibelfest.“
„So“, meinte sie spitz, „dann passt der Spruch auf Sie auch gleich. Er lautet: ,Verräter, Frevler, aufgeblasen, die mehr Wollust lieben denn Gott‘.“
„Können Sie das ein wenig spezifizieren?“
„Kann ich, will ich aber nicht. Dafür habe ich noch etwas für den Schnauzer parat: ,Ein Frevler lockt seinen Nächsten und führt ihn auf keinen guten Weg.‘ Das sollten Sie aber schon kennen.“
„Ach, und wieso?“
„Sprüche des Salomo.“ Das letzte Wort hatte die Vejvoda betont. „Von wegen Ihres Nachnamens, meine ich.“
„Na bitte“, gluckste Bronstein und breitete versöhnlich die Arme aus: „Sie haben ihn sich ja doch gemerkt.“
Tatsächlich war die Andeutung eines Lächelns auf dem Gesicht der Frau ahnbar. „Wollen Sie mir nicht doch sagen, was Sie über den Suchy wissen und wie S’ das da gerade mit der Wollust g’meint haben?“
Doch die Züge der Vejvoda verhärteten sich wieder. „Wer Vater und Mutter flucht, der soll des Todes sterben. Matthäus, Kapitel 15, Vers 4. Das können S’ ihm ausrichten, dem Rotzbuben, dem vermaledeiten. Und jetzt hab ich Ihnen nichts mehr zu sagen. Ich hab nichts g’sehen, ich hab nichts g’hört, ich kann Ihnen nicht helfen. Auf Wiederschau’n.“
Die Vejvoda wandte sich ab und schickte sich an, im hinteren Teil der Wohnung zu verschwinden. Bronstein sah ihr noch einen Moment nach, dann verließ er ihre Bleibe.
Im nächsten Stockwerk klopfte er an die Tür, an welcher ein Schild mit dem Namen „Matuschek“ montiert war. Abermals dauerte es eine Weile, bis ihm aufgetan wurde. Sein Gegenüber hatte die siebzig tatsächlich schon hinter sich. Ein schütterer Haarkranz und ein kleiner Schnurrbart zierten sein rundes Gesicht. Er trug eine waidmännisch geschnittene grüne Weste über einem rauen, braunen Hemd, während seine Beine in einer grauen Flanellhose steckten. Die Füße staken in Filzpantoffeln, während der Mann in der linken Hand die „Wiener Zeitung“ und in der rechten eine dicke Hornbrille hielt.
„Sie wünschen?“
„Oberst Bronstein vom Sicherheitsbüro. Herr Hofrat, ich hätte da ein paar Fragen an Sie.“
„Na perdautz aber auch. Da schau ich aber. Na, dann kommen S’ einmal herein, Herr Oberst.“
Matuschek führte Bronstein in die Küche und bot ihm dort Platz an. Dann blickte er auf seine Armbanduhr: „Ist es noch zu früh für ein Kognakerl? Vielleicht ein Kaffeetscherl mit einem Schuss Rum?“
„Nein danke, Herr Hofrat. Sie sind jetzt die vierte Partei, die ich vernehm, ich kann schon keinen Kaffee mehr sehen.“
„Ja, worum geht’s denn überhaupt?“ Während er diese Frage stellte, setzte sich Matuschek nieder und schenkte sich wie beiläufig ein großes Glas Kognak ein.
„Ihr Hausherr wurde ermordet.“
„Na geh’n S’!“ Matuschek riss die Augen auf. „Was Sie nicht sagen! Wieso das denn?“
„Genau das wollen wir herausfinden. Und daher fragen wir alle Parteien, ob sie uns irgendwelche zweckdienlichen Hinweise geben können.“
„Da müssen S’ mir aber schon ein wenig helfen, gelt?“
„Äh, wie meinen?“ Bronstein war irritiert.
„Na, ich kann Ihnen natürlich nur dann allfällige Beobachtungen schildern, wenn ich weiß, um welchen Zeitraum es sich handelt, dem Ihr Interesse gilt.“
Dabei lächelte Matuschek schmal.
„Ach so, ja, richtig. Nun, im Wesentlichen um die vergangene Nacht.“
„Ujegerl, ganz schlecht. Ich bin gestern Abend so gegen acht Uhr aus dem Haus gegangen, weil ich mich mit meinen Freunden vom Briefmarkensammlerverein getroffen hab. Und da ist es erstaunlicherweise sehr spät geworden. Ich glaub, ich war erst nach Mitternacht zu Hause.“
„Und als Sie zurückgekommen sind, haben Sie nichts gemerkt?“
„Nein. Gar nichts. Alles war ruhig. Ich habe noch vom alten Hausherrn her einen Haustorschlüssel. Mit dem hab ich aufgeschlossen, und dann bin ich leise durchs Stiegenhaus geschlichen, damit sich die hysterische Vejvoda nicht wieder aufregt, und hab mich hinterher sofort niedergelegt. Und ich hab g’schlafen bis gegen neun Uhr morgens. Sie sehen also, ich bin Ihnen leider keine Hilfe.“
„Na vielleicht doch. Haben Sie den Suchy näher gekannt?“
„Könnte ich eigentlich nicht behaupten. Wissen Sie, der Suchy und seine Leute, das sind schon ziemlich ungehobelte Zeitgenossen. Mit denen hat unsereins besser nichts zu tun, verstehen S’? Da streift man besser nicht an.“
„Meinen Sie mit seinen Leuten jetzt die Nazis allgemein oder
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