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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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Sie denn Monarchist, Herr Hofrat?“
    „Ach, das ist ja unrealistisch. Das ist vorbei, das kommt nicht mehr, obwohl der Otto sicherlich eine bessere Figur machen würde als diese Kalafattis da, die uns jetzt zu regieren vorgeben. Eine Republik ist auf jeden Fall ein kolossaler Irrtum, so viel steht einmal fest. Und wissen Sie auch, warum?“
    „Ich denke, Sie werden es mir gleich sagen.“
    „Weil die republikanische Idee von jeher ein vager und völlig unrealisierbarer Begriff ist. Ein poetischer Wunschtraum einzelner nicht begreifender Unbegriffener. Ein Haufen unglücklich in die Welt Geworfener, in ihre eigenen Spintisierereien verliebte Schizophreniker, die mit ihren geistigen Kurzschlüssen die ganze Welt in Brand stecken.“
    Bronstein wiegte skeptisch den Kopf. Matuschek aber beachtete diese Geste gar nicht. Er hatte sich sichtlich in Rage geredet. Unbeirrt fuhr er fort:
    „Aber das gilt ja für alle Ideen, nicht! Wenn einer schon eine Idee hat, sage ich immer. Das ist ja alles eine Farce. Die Demokraten sind keine Demokraten, die Sozis keine Sozis und, wie sich jetzt herausstellt, die Kommunisten keine Kommunisten.“
    „Ach so?“ Wie kam der ausgerechnet jetzt auf die Kommunisten?
    „Na hören Sie! Lesen Sie keine Zeitungen? Der Stalin hat doch das ganze Zentralkomitee der Partei umbringen lassen. Jetzt ist, wie man hört, gerade der Bucharin dran. Dann gibt es nur noch den Trotzki. Aber der züchtet in Mexiko Rosen.“
    Ohne dass er es wollte, schweiften Bronsteins Gedanken ab. Stalin. Dieser georgische Zwerg! Das war auch vor 25 Jahren gewesen. Just zu der Zeit, als ihm das Fräulein Johanna über den Weg gelaufen war. Und Trotzki hatte ihn sowieso eine wahre Ewigkeit begleitet. Zuerst wegen des gemeinsamen Nachnamens und dann wegen Jelka. Jelka! Wie es der wohl ging? Ob sie noch in der Tschechoslowakei war?
    „… Aber das liegt natürlich alles nur daran, dass die breite Masse keine Kultur hat. Das gilt für alle Teile des Volkskörpers, verstehen Sie?“
    Offenbar hatte Matuschek, während Bronstein seinen Gedanken nachgehangen war, einfach weitergeredet, sodass Bronstein sichtlich den Anschluss verpasst hatte.
    „Oder sind Sie da anderer Meinung, Herr Oberst?“
    „Äh …, durchaus … nicht.“
    „Geben Sie’s zu, Sie haben mir gar nicht zugehört. Zumindest teilweise nicht, und darum haben Sie jetzt den Anschluss verpasst.“
    „Na, das will ich doch sehr hoffen!“
    „Was? Wollen Sie mich beleidigen?“
    „Nein, durchaus nicht. Ich hab nur g’meint, den Anschluss, den würd ich nur zu gern verpassen.“ Dabei lächelte Bronstein aufmunternd. Nun verstand auch Matuschek. Doch er verzog seine Mundwinkel nicht nach oben.
    „Das ist wieder typisch für die österreichische Rasse! Nur nix ernst nehmen. Immer ein Gspasettl machen. Und dabei übersehen wir vollkommen, dass wir ins Nichts gehen. Und das buchstäblich über Nacht. Nun ja, in gewisser Weise sind wir schon jetzt ein Nichts. Kartographisch, politisch und, na ja, kulturell sowieso. Österreich ist auf der Weltbühne seine eigene Tragödie. Doch was wenigstens anderswo auch im Untergang noch eine gewisse Größe haben könnte, das vollzieht sich hier im Rahmen einer Schmierenkomödie. Die Vollendung unseres Schicksals, sie sollte endloser Schrecken sein – und ist doch einfach nur erbärmlich.“
    „Ja, damit könnten S’ durchaus Recht haben, Herr Hofrat. Aber in der Causa Suchy hilft mir diese Erkenntnis auch nicht gerade weiter.“
    Matuschek fühlte sich aus seinem Gedankenflug jäh zu Boden gezogen. Für einen Augenblick mahlten seine Kiefer in dem Bemühen, der Versuchung, mit dem begonnenen Vortrag einfach fortzufahren, zu widerstehen. Dann sagte Matuschek leichthin: „Das, lieber Herr Oberst, kann nicht so schwer sein. Cui bono!“
    „Wie belieben?“
    „Na, cui bono. Schau’n S’ einfach, wer von Suchys Tod profitiert, und Sie haben den Täter.“
    „Ja, wenn es nur so leicht wär“, seufzte Bronstein.
    „Na, fragen S’ einmal den alten Frank da drüben. Da können S’ in jedem Fall was lernen. Und sei es auch nur, wie tief wir in diesem Land schon gesunken sind.“
    Bronstein war sich sicher, aus dem alten Matuschek nichts mehr von Relevanz in Erfahrung bringen zu können. Also dankte er für den Rat, erhob und verabschiedete sich. Drei Minuten später klopfte er an eine Tür, auf der sich ein Schild befand, auf welches in altdeutschen Lettern der Name Frank gemalt war.
    Ein kahlköpfiger

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