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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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seinem Kopf ab, der bereits beängstigende Ähnlichkeit mit einem Totenschädel aufwies.
    Bronstein musste zweimal hinsehen, um in dem Häufchen Mensch den einst so feisten Pokorny zu erkennen. Aus der mehr als strammen Erscheinung schien über Nacht ein Strichmännchen geworden zu sein. Zudem wunderte sich Bronstein, wie klein der Mann auf einmal aussah. Nicht, dass Pokorny jemals sonderlich stattlich von Wuchs gewesen wäre, aber das Männlein in dem Feldbett wirkte kaum größer als eineinhalb Meter. Und Bronstein bemühte sich, sein Entsetzen über Pokornys Erscheinungsbild zu verbergen.
    „So sch’imm?“
    Offenbar war es ihm nicht gelungen.
    „Pokorny! Na du machst vielleicht Sachen“, bemühte sich Bronstein um eine aufmunternde Lässigkeit. „Legst dich einfach ins Spital, während der Cerny und ich Verbrecher jagen müssen.“
    „Tät ’ern ’ausch…en“, nuschelte Pokorny und verzog dabei das Gesicht. Es war offenkundig, dass ihn eben eine Schmerzwelle durchzuckte. Bronstein trat eilig auf Pokornys Bett zu und war versucht, dem Mann die Hand zu halten. Im letzten Augenblick nahm er davon Abstand und setzte sich stattdessenauf den Sessel. „Ich hab’s grad erst erfahren. Drum hab ich leider auch gar nichts mitbracht.“
    „Brauch … eh … nix“, hauchte Pokorny. Gleich danach seufzte er. „… mehr“, schickte er hinterher.
    „Red ned a so, Pokorny. Am End verschreist du’s noch.“
    „Da is“, Pokorny verdrehte die Augen und starrte ausdruckslos an den Plafond, „nix mehr zum Verschrei’n. Mit mir … geht’s … z’ End.“
    „Pokorny! Jetzt hör aber auf. Du machst mir Angst und Bang.“ In Bronstein kam wirklich ernste Besorgnis auf. „Erzähl mir lieber was. Wie war das damals mit dem Berghammer? Zum Beispiel. Oder die Kletzmayr-G’schicht’.“ Bronstein bemühte sich um ein Lächeln.
    Pokorny stöhnte. „Der Berghammer … und der … Kletzmayr … san … tot. … Und … i … aa.“
    „Ach was, Pokorny! So schnell stirbt man ned. Weißt eh, Unkraut vergeht ned. Zumindest ned so gach.“
    Doch Pokorny schloss die Augen und wirkte wie leblos. Nur mit Mühe widerstand Bronstein der Versuchung, Pokorny zu rütteln.
    „Keine Angst!“ Von hinten war lautlos eine Schwester in den Raum gekommen. „Er schläft jetzt. Das ist eh gut für ihn. Wir sorgen schon für ihn.“ Bronstein sah die Nonne dankbar an. „Wissen S’, er war … mein Lehrer.“
    Innerlich verfluchte er sich. Das hatte er Pokorny nie gesagt. Es ihm nicht einmal indirekt zu verstehen gegeben. Warum lobte man die Leute immer erst, wenn sie nichts mehr davon hatten?
    Davon hatten?
    Bronstein. Jetzt reiß dich gefälligst zusammen. Der Pokorny ist noch lange nicht tot. Und du wirst ihn mit deinen düsterenGedanken uch nicht ins Grab schicken! Ist das klar! Hör sofort auf, so wehleidig zu sein! In Wirklichkeit geht es dir doch vielmehr um dich als um ihn! Also Schluss mit der Larmoyanz, verstanden, ja? Der Pokorny war zäh. Der würde das überstehen. Und er, Bronstein, würde es auch überstehen. Pokornys Krise, Österreichs Krise – und die ganze Hitlerei! Er war schließlich schon mit ganz anderen Dingen fertig geworden.
    „Sagen Sie, Schwester, kann man ein paar Worte mit dem behandelnden Arzt wechseln?“
    „Ja, Herr Oberst. Er ist zufällig anwesend. Und für Sie wird er sich sicher Zeit nehmen. Geh’n S’ nur rüber zu ihm. Zimmer 201.“
    Bronstein schickte Pokorny noch einen langen Blick, dann stand er auf und trat auf den Gang hinaus. Schief gegenüber befand sich Zimmer 202, das offenbar für die Schwestern reserviert war. Gleich daneben stieß er auf Zimmer 201, das den Ärzten vorbehalten war. Er atmete kurz durch, dann klopfte er.
    „Herein!“
    „Guten Tag, Herr Doktor. Oberst Bronstein. Ich bin da wegen …“
    „Ah, ja, ich weiß schon. Schwester Aurelia hat Sie avisiert.“
    „Na dann. Wie geht’s ihm, Herr Doktor?“
    „Diese Frage, werter Herr Oberst, ist nicht so einfach zu beantworten. Der aktuelle apoplektische Insult macht mir keine Sorgen. Aber ich fürchte, er war nicht der letzte. Und niemand vermag zu sagen, ob ein neuerlicher Apoplex nicht verheerendere Folgen hat als der vergangene. Ehrlich gesagt, hat der Patient diesen sogar erstaunlich gut verkraftet. Es gibt weder einen ernsthaften Ausfall des Sprachzentrums noch sonst irgendwelche körperlichen Fehlfunktionen. Aber genau deshalb fürchten wir, dass dieser Anfall eigentlich nur eine Vorankündigung

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