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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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auf die Idee?“
    „Na sicher! Wer sonst? Die sind doch nix als Parasiten am Volkskörper. Die san doch für alles verantwortlich, was schlecht is in dera Wöd.“
    Bronstein rang um Beherrschung. Leicht gepresst fragte er: „Haben Sie Ihre Kinder zum Herrn Suchy geschickt? Zu Zwecken der … nun … politischen Erziehung?“
    „Jo sicha! In da Schul lernen die ja nix. Nur an Bledsinn. Ka Wunder. San jo ollas Judn, die Lehrer. Und die Pforra aa!“
    „Die sind ja wohl eher Katholiken, oder?“
    „Ah wos! Pfaff und Jud, eine Brut! Schau’n S’ ihna die Bibel nur amoi an. Lauter Sarahs und Noahs, da Moses und da Abraham. Hör’n S’ ma doch auf mit dem jüdischen Schas! Mit dem Christentum hat doch unser ganzes Elend erst ang’fangt. Die Kuttenbrunzer san doch aa auf der Lohnlisten von dieGödjud’n. Die zahn uns den letzten Groschen aus der Taschn, und da Pforra sogt jo und amen dazu! Na, unsa Ölend hot erst a End, wann do wieda a deitscher Wind waht.“
    Loss an Schas, du oide Schlampen, daun waht a deitscher Wind, dachte sich Bronstein, bemühte sich nach außen hin jedoch weiter um Sachlichkeit. „Sie können also über den Unterricht des Herrn Suchy nur das Beste sagen?“
    „Eh kloa! Wieso? Sogt wer was anderes?“
    „Es heißt, er soll die ihm anvertrauten Kinder geschlagen haben“, meinte Bronstein geradeheraus.
    „A so! Jo. Sicha!“
    Die Reaktion der Witzmann überraschte Bronstein. „Sie wussten davon?“
    „Eh kloa! Waun ma die Bankerten ned urntlich trickat, daun wer’n s’ verweichlichte Siemandln. Und des kaun der Füh…, des kaun kana brauchen.“
    „Und wenn der Herr Suchy bei den Züchtigungen zu weit gegangen wäre?“
    „A wos! Wos an ned umbringt, des mocht an hart! So schaut’s aus! Nehmen S’ mein Buam. Glauben S’, des hot eam g’schodt, waun eam da … Suchy amoi birnt hot?“
    Bronstein ließ ein gedehntes „Ja“ vernehmen.
    „Bledsinn!“ Ansatzlos knallte sie dem Kind eine über den Hinterkopf, sodass Hans nach vor geschleudert wurde und Mühe hatte, nicht zu Fall zu kommen. Die Tränen schossen ihm in die Augen, und unweigerlich begann sein kleiner Körper zu zittern. „Wannst rerst, kriagst no ane, verstanden“, herrschte die Mutter ihn an. Dann wandte sie sich wieder Bronstein zu: „Woll’n S’ mir jetzt sogn, des schodt eam?“
    „Frau Witzmann, ich muss doch sehr bitten. Das ist doch keine …“
    Die Witzmann nahm eine Drohhaltung ein. „Wos is des ned, ha? Wos? Waun da wos ned passt, Kieberer, daun schleich di zu de Itzig. Oba pass auf! De tögeln ihre Gschrapp’n vielleicht ned, dafia schlachten s’ de unseren.“
    Bronstein überkam die Wut. Er vergaß seine Rücksichtnahme und ging gleichfalls in Kampfposition. „Jetzt pass DU amoi auf, du oide Bodhur! I schick da die Fürsorg’ an den Hals. Es is allaweil besser, der Hans wachst in an Kinderheim auf ois bei so ana Schlampen wie dir. Und wennst jetzt ned stantepede stad bist, daun nimm i di mit aufs Revier, host mi? Für illegale Prostitution gengan si locker zwa Joa aus! Zeugen hamma gnua, oiso überleg da guat, obst no amoi so an Schas daherredst! Alsdern, habe d’ Ehre!“
    Bronstein nutzte die Verblüffung der Witzmann, um sich aus dem Staub zu machen. Denn er traute ihr zu, dass sie, sobald sie das von ihm Gesagte in vollem Umfang begriffen haben würde, handgreiflich wurde. Und nach dem Zwischenspiel mit den Nazis wollte er nicht schon wieder in eine brenzlige Situation geraten. Besser, er begab sich zu den Kranewetters. Dort war vielleicht eher etwas zu holen. Vom Bennoplatz waren es keine fünf Minuten in die Kochgasse. Bronstein wunderte sich. Dieses Grätzel zählte ohne Frage zu den besseren Wohngegenden Wiens. Wie kam es, dass dort auch arme Schlucker wohnten?
    Die Antwort gab ihm die Adresse, die ihm die Jedlicka genannt hatte. In dem vornehmen Wohnhaus aus der Jahrhundertwende gab es einen Innenhof, in dem sich eine heruntergekommene Werkstatt befand. Vermutlich waren hier einmal Kutschen und später Automobile repariert worden, nun freilich zeugte nichts mehr von der einstigen Geschäftigkeit. Ein unrasierter, müde und ungepflegt wirkender Mann inFlanellhose und weißem Unterhemd saß auf einer leeren Kiste und rauchte eine Zigarette.
    „Guten Tag, sind Sie der Herr Kranewetter?“
    Der Mann blies den Rauch aus und sah auf: „Wer lasst fragen?“
    Bronstein hob nur seine Kokarde.
    „Ja, aber i war’s ned.“
    Bronstein war verwirrt: „Was?“
    „Wurscht. Egal was. I

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