Zores
stünderten S’ jetzt besser da. Aber so …“ Bronstein machte eine resignierende Geste.
Witzmanns Augen weiteten sich: „Aber …, da muss mich wer …, da hat wer zug’hört und genau deswegen ein Messer verwendet, damit man glaubt, ich war’s. Bitte, Herr Inspektor!“ Schon wieder das weinerliche Flehen.
„So ein Blödsinn!“, schrie Bronstein und schlug mit der Faust auf den Tisch. Endlich befand er sich wieder in einer Situation, in der er alle Trümpfe in der Hand hatte. „Du hast es einfach nicht mehr ausgehalten, hörst du! Deine Frau tanzt dir auf der Nase herum, was du dir gefallen lassen musst, weil du sie nicht ernähren kannst. Aber dass dann auch noch der Lustgreis, der für euch den Kindergärtner machen soll, deine Gschrapperln vergenusswurschtelt, das war dir einfach zu viel. Das, so hast du dir gedacht, musst du dir nicht gefallen lassen. Wenn schon der Körper deiner Frau fremden Männern gehört, wenigstens die Körper deiner Kinder sollten rein bleiben. Also wolltest du dem Suchy die Wadeln nach vorn richten. Doch der hat dich nur ausgelacht und weggeschickt. Du aber wolltest einmal nicht das Siemandl sein.“
Bronstein ignorierte das sich beständig wiederholende und immer lauter werdende „Nein“ Witzmanns und fuhr fort. „Du bist am nächsten Tag noch einmal hin. Diesmal aber bewaffnet. Das Messer hast du wahrscheinlich aus der eigenen Küche mitgenommen. Und dann hast du dir Zutritt zu Suchys Wohnungverschafft und hast ihm die Gurgel aufgeschlitzt. Und weil der alte Frank dich zufällig dabei gesehen hat, musste der auch noch daran glauben. So war’s doch!“
Witzmann schüttelte nur den Kopf, und seine Augen flackerten in Panik hin und her. „So war’s doch!“, schrie Bronstein und ließ nun die flache Hand auf den Tisch knallen.
„Aber wenn ich es Ihnen doch sag“, heulte Witzmann auf, „so war das nicht. Ich bin ganz und gar unschuldig!“ Witzmann schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.
Bronstein besah sich den Mann. Er war zwar, was man in Wien einen Riegel nannte, aber offenkundig ein Seicherl. Im Tschumpas würde der Mann höchstens einige Wochen durchhalten, dann, so war sich Bronstein sicher, hing er am Fenstergitter. Wenn ihn nicht zuvor die Mithäftlinge erledigten. Und ihm wurde bewusst, dass Witzmann möglicherweise wirklich unschuldig war. Nicht, weil er Suchy nicht gehasst hatte, sondern weil er zu einem solchen Mord nicht den Mumm besaß. Es war keine leichte Übung, jemandem die Kehle durchzuschneiden. Das setzte starke Nerven und beinharte Konsequenz voraus. Und die waren einem Krewegerl wie dem Witzmann nicht zuzutrauen.
Bronstein beugte sich vor: „Witzmann, die Lage ist ernst. Es geht um Doppelmord. Da ist der Strick drinnen, verstehen S’ mich! Sie sind auch am Mittwoch g’seh’n worden. Zur Tatzeit also! Es schaut demnach gar ned gut aus für Sie. Zumal Sie ja kein Alibi haben werden, oder?“ Bronstein sah sein Gegenüber erwartungsvoll an.
„Nur weil ich arbeitslos bin, heißt das noch lange nicht, dass ich ein Mörder bin“, gab der wimmernd zurück. „Wer braucht, bitte schön, heute schon einen Kartographen? Es stimmt schon, dass ich keine Arbeit habe, und dass die Familie davon lebt, was meine Frau … macht. Aber ich bin deswegenkein unehrlicher Mensch. … Ja, ich war am Mittwoch in der Skodagasse. Aber nicht wegen dem Suchy. … Der Frank, der hat mich hinbestellt. Der hat mich nämlich am Dienstag im Stiegenhaus noch troffen und hat g’meint, er hätt vielleicht eine Arbeit für mich. Na, dann hab ich g’wartet auf ihn, aber er ist nicht gekommen.“
„Tja, Witzmann, das kann ich dir jetzt glauben oder nicht. Der Frank ist auch tot. Also ned wirklich ein gutes Alibi, verstehst. Also da musst schon mit etwas Besserem rüberkommen, wennst vermeiden willst, dass …“ Bronstein imitierte einen Strick um den Hals, was Witzmann sichtlich die Schweißperlen auf die Stirn trieb.
„Na glauben S’, mir passt des, dass der tot ist? Der warat ja mein Alibi! Aber was soll ich denn machen? Ich kann ja ned lügen, nur, damit ich besser dasteh.“ Bronstein war sich sicher, dass Witzmanns Augen glänzten, weil er wieder zu weinen begann.
„Na gut“, lenkte er ein, „dann sag einmal, wie das vorgestern genau war. Wann bist hinkommen, wie lang dortblieben, wann wieder gegangen und was hast danach g’macht?“
Witzmann zog Nasenschleim auf und atmete tief durch: „Gegen fünf hat mich die Meinige rausg’haut.
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