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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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sie ist lebendiger denn je. Gebe Gott, dass die übermorgen vom österreichischen Volk eine Absage erteilt bekommt, denn sonst bin nicht nur ich – ob meines Familiennamens, wie Sie eben so schön feststellten – im Orkus, sondern auch Sie, Herr Präsident, den die Nazis als ihren entschiedensten Gegner bezeichnen.“
    Skubl wurde doch tatsächlich rot. „Aber …“, stammelte er.
    „Herr Präsident, wenn weiter nichts anliegt, würde ich gerne an dem Fall weiterarbeiten. Mit Ihrer Erlaubnis natürlich“, fügte er hinzu.
    „Tun Sie, was Sie glauben, tun zu müssen, Bronstein. Mich geht das nichts an, denn ich weiß von alledem nichts. Aber wenn der Minister Sie zum Frühstück verspeist, dann reiche ich ihm das Salz dazu. Und jetzt schau’n S’, dass S’ weiterkommen, sie … Sargnagel der Exekutive!“
    Bronstein verbeugte sich ansatzweise und sah dann zu, dass er Land gewann. Der hatte es gerade nötig, dachte er sich. Bis vor fünf Jahren war er noch Inspektor bei den Pflasterhirschen gewesen, ehe ihn das neue Regime in lichte Höhen befördert hatte. Aber gut, was sollte man von einem Kärntner schon anderes erwarten. Bei denen waren nicht nur ihre larmoyanten Chöre zum Weinen. Nüchtern betrachtet war der Anpfiff ohne Belang. Entweder, die Nazis übernahmen wirklich die Macht, dann wäre Skubl Geschichte, oder Schuschnigg setzte sich durch, dann war der Minister Geschichte. Und doch fühlte sich Bronstein einmal mehr in diesen Tagen ganz flau im Magen. Er sollte vielleichtetwas essen, doch merkwürdigerweise verursachte der Gedanke an Nahrung in ihm nur noch größere Übelkeit. Ob er schon wieder ein Schnapserl …? Einen Magenbitter vielleicht?
    Abrupt blieb Bronstein stehen. Er atmete tief durch, zog seine Weste straff und schalt sich selbst innerlich einen Hasenfuß. Jetzt reiß dich einmal zusammen! Du bist ja kein kleines Kind mehr, das sich vor allem und jedem fürchten darf. Du gehst jetzt gefälligst zurück in dein Büro und löst diesen vermaledeiten Fall. Und alles andere vergisst du gefälligst. So, als hätte der gedachte Anschiss tatsächlich funktioniert, schritt Bronstein forscher aus und erreichte alsbald wieder seinen Amtsraum.
    Kaum hatte er sich an seinem Schreibtisch niedergelassen, läutete das Telefon. Bronstein kämpfte mit sich, ob er den Hörer abheben sollte oder nicht. Doch noch war er in Amt und Würden, also siegte sein Pflichtgefühl.
    „Bundespolizeidirektion Wien, Oberst Bronstein am Apparat“, schnarrte er.
    „Äh, bin ich da richtig beim Mord?“, kam es unsicher vom anderen Ende der Leitung.
    „Ja, das sind Sie, mein Herr. Worum geht’s denn?“
    Der Anrufer ließ sich Zeit, schien zu überlegen. „Lehner heiß ich. Ich wohn in der Skodagasse. In dem Haus, wo die Morde passiert sind.“
    Bronstein war sofort hellwach. „Ich erinnere mich. Der Friseurmeister“, entgegnete er. „Äh, genau. Ich hättat eine Beobachtung g’macht. … Bitte, ich kann nicht sagen, ob das revelant ist, aber es warat schon wegen die Morde“, erklärte Lehner umständlich.
    „Na, sprechen S’ einfach von der Leber weg. Jede Information kann zweckdienlich sein“, ermunterte Bronstein seinen Gesprächspartner zum Weiterreden.
    „Also …, die G’schicht’ …, die is a so. Am Dienstag, … da bin ich quasi … Ohrenzeuge worden von einem ziemlich lauten Streit im Stiegenhaus.“
    „Ah ja?“
    „Ja. … Ich bin kurz nach zehn noch einmal auf den Gang raus, weil … weil ich müssen hab, ned?! Und … da hör ich, wie der Suchy förmlich bedroht wird.“
    „Na, das klingt auf jeden Fall relevant. Erzählen Sie bitte, Herr Lehner, erzählen Sie!“
    „Also, ich kann Ihnen ned sagen, wer das war, gell, aber mir ist die hohe Stimm’ aufg’fallen. Wie ein Kastrat, wissen S’? Und der hat herumg’schimpft wie nur was. Er hat dem Suchy vorg’worfen, er tät die Kinder …, na, wie sag ich das am besten …“
    „Missbrauchen?“
    „Genau.“ Lehner schien erleichtert, den Sachverhalt nicht selbst beschreiben zu müssen. „Er hat g’sagt, er bringt seine Kinder nimma zu so einer … Tschuldigung schon, perversen Sau. Und wenn er sich seinen Kindern noch einmal nähert, dann sticht er ihn ab, hat er g’sagt.“
    „Das ist wirklich sehr interessant, Herr Lehner! G’seh’n haben S’ ihn nicht zufällig, den Mann?“
    „Wie g’sagt, ich war zwei Stockwerk höher. … Ich hab ihn nur g’hört. Und dann hab ich g’hört, wie der Suchy sagt, er soll sich schleichen.

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