Zorn der Meere
unterbrochen von zahlreichen Pausen, dass er mit David Zeevanck aneinander geraten sei.
Wiebe zog zischend den Atem ein, als er erfuhr, dass der Arzt den Steinmetz und Zeevanck hatte hindern wollen, sich an den Frauen zu vergreifen.
Jeronimus, erklärte Janz den verdutzt Lauschenden, betrachtete die Friedhofsinsel inzwischen als sein Reich, in dem er jeden töten lassen könnte, der ihm nicht gefiel. Er und seine Spießgesellen seien nicht länger als Menschen anzusehen, sondern als Wesen, die sich in einem Wahn teuflischen Ursprungs befanden.
Wiebe schauderte bis auf die Knochen. Als er zu der Friedhofsinsel hinüberschaute, erblickte er die Rauchsäulen, die von den Feuern aufstiegen. Vielleicht sind wir bis zum Ende der Welt gesegelt, um in der Hölle zu landen, dachte er.
Fort Batavia
Francois studierte die finstere Miene des Gouverneurs, der wortlos in den Berichten blätterte, die er, wie Francois wusste, bereits hundert Mal gelesen hatte.
Der Gouverneur war an diesem Tag vollständig in Schwarz gekleidet. Lediglich ein schmaler weißer Spitzenkragen unterbrach die düstere Strenge.
Schließlich schob Coen die Unterlagen beiseite und betrachtete Francois. »Nach der Lektüre Eurer Dokumente«, hub er an, »bin ich von Euren Fähigkeiten weniger überzeugt als die Herren in Amsterdam.«
Du eiskalter Hund, dachte Francois, ich möchte wissen, wie du dich an meiner Stelle verhalten hättest.
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»Euer Fall ist noch nicht abgeschlossen«, fuhr Coen indessen fort. »Ich werde die Vorgänge weiterhin prüfen.«
Francois nickte. Nichts, was er jetzt sagen konnte, würde ihm zum Vorteil gereichen, deshalb zog er es vor zu schweigen.
»Das Dringlichste ist im Moment jedoch, dass Ihr Euch zurück zu dem Wrack begebt, um die Schätze der Companie zu retten -und um die Menschen zu bergen, sofern sie noch leben.
Ihr segelt mit der Zandaam, aber das sagte ich ja bereits. Der Erste Steuermann der Batavia wird Euch begleiten.«
Coen tippte mit seinem langen Zeigefinger auf Francois'
Bericht. »Gibt es noch Fragen?«
Francois schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Gouverneur.«
»Um so besser. Ihr verlasst Java morgen früh. Dieses Mal bitte ich mir Erfolg für Eure Sache aus.«
Coen wedelte mit der Hand. »Ihr könnt Euch entfernen.«
Francois stand auf und verneigte sich wortlos. Danach wandte er sich um und verließ leise den Raum.
Wenige Tage nach ihrer Ankunft wurde Zwaantie verhaftet.
Kurz darauf stieß man sie in eine dunkle Kerkerzelle, die heiß wie ein Brutofen und voller Stechmücken war. Wessen man sie bezichtigte, wusste Zwaantie nicht.
Als eines Morgens eine Gruppe Wärter in ihre Zelle polterte, glaubte sie, sie würde freigelassen. Sie lachte triumphierend und bedachte die Wärter mit derbem Spott.
Auf dem Weg nach draußen erkannte Zwaantie jedoch, dass die langen Gänge nicht ins Freie führten, sondern vielmehr noch tiefer in den Schlund der Festung hinein.
Dann wurde eine schwere Holztür aufgestoßen.
Zwaantie kreischte vor Entsetzen, als sie die Streckbank, die Wippe und die eiserne Spindel sah. Verzweifelt bäumte sie sich auf und trat um sich. Die Wächter verstärkten ihren Griff.
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Zuletzt trat aus dem Dunkel ein Mann mit einem schmalen weißen Spitzenkragen hervor, der den Wachen ein Zeichen gab und angeekelt den Mund verzog, als Zwaantie sich übergab.
Zwaantie sah sein blasses Gesicht im Fackellicht.
»Zwaantie Hendricks«, verkündete er. »Ihr seid hier, um Euch zu dem Angriff auf Frau van der Mylen zu äußern, der an Bord der Batavia geschah. Ich hoffe, dass Ihr uns und Euch die Befragung leicht machen werdet.«
Zwaantie übergab sich ein zweites Mal. Wo ist der Skipper?
fragte sie sich stöhnend. Warum kommt er nicht, um mir zu helfen?
Als die Zandaam den Hafen verließ und Kurs auf die Straße von Sunda nahm, stützte Francois sich schwer auf der Reling auf. Seine Haut glühte vom Fieber.
Das Feuer, das in seinem Hirn brannte, war indes kaum schwächerer Natur. Seit Tagen schwankte er zwischen Anfällen sinnloser Wut, die gegen den Gouverneur gerichtet waren, und bitteren Selbstvorwürfe n, die mit Kapitän Jacobs zusammenhingen. Es hätte nicht so kommen dürfen, sagte er sich mit dumpfer Reue. Das war nicht gerecht. Doch wie konnte ich annehmen, dass diese schwarze Vogelscheuche Jacobs dergleichen antun wird? Ich hätte mich entschiedener für ihn eingesetzt, hätte ich davon gewusst.
Francois begann zu zittern. Wem machte er da etwas vor? Er hatte
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