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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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diesem Buch vertraut, Herr Unterkaufmann?«
    Jeronimus nahm ihm die Bibel ab. Mit gerunzelter Stirn blätterte er durch die Seiten, nickte, brummte etwas, schüttelte den Kopf. »Die ein oder andere Stelle kommt mir bekannt vor«, murmelte er, »im Übrigen entdecke ich Gefasel.« Mit einem Ruck riss er ein paar Seiten heraus und ließ sie im Wind davonflattern.
    Pfarrer Bastians schien für einen Augenblick zu schwanken.
    Dann stürzte er jedoch vor, um Jeronimus das Buch aus den Händen zu reißen.
    Jeronimus ließ nicht locker, sodass die beiden Männer die Bibel hin und her zerrten, was die Jankers abermals erheiterte.
    »Dafür wird Gott seine Blitze auf Euch herniederfahren lassen!«, rief Pfarrer Bastians.
    Jeronimus blickte prüfend zum Himmel empor. »Wann?«, fragte er interessiert. »Doch gewiss nicht in den nächsten Stunden.«
    »Der Herr befiehlt -«
    Zeevanck packte Pfarrer Bastians am Kragen und stieß ihn zu Boden.
    »Verzieh dich, Dummkopf«, sagte er.
    »Tut ihm nichts!«, schrie Judith. Sie bückte sich, um ihrem Vater auf die Beine zu helfen.
    »Ein rührender Anblick«, bemerkte Jeronimus. Er schleuderte die Bibel in die Lagune. »Was der Herr befiehlt, interessiert hier keinen«, fuhr er fort. »Der Herr hat das Schiff zerstört, auf dass mein Wort gilt, Herr Pfarrer. Merkt Euch das! Aus diesem
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    Grund stellt Ihr auch sofort Eure Predigten ein, denn wenn jemand Gottes Wortes bedarf, kommt er zukünftig zu mir.«
    Pfarrer Bastians hatte sein Gesicht in den Händen geborgen und winselte wie ein verwundetes Tier. Als er die Hände sinken ließ, war seine Haut aschfahl. Er blickte wortlos in die Runde.
    Dann machte er kehrt. Wie ein Betrunkener stolpernd schlug er den Rückweg ein.
    Judith folgte ihm stumm und mit gesenktem Blick.
    Über ihr schwirrten die Möwen und kreischten wie des Teufels Heerscharen.

    Auf der Langen Insel

    Wiebe Hayes und seine Kameraden entdeckten zwei Gestalten, die ans Ufer taumelten.
    Die Männer sprangen auf und liefen auf sie zu. Bei ihrem Anblick erschraken sie.
    Wie haben sie es geschafft, bis hierher zu schwimmen? fragte sich Wiebe, als er die Wunden der beiden sah.
    Einem war eine Schwertklinge mitten über den Rücken gezogen worden. Sie hatte einen tiefen, klaffenden Schnitt hinterlassen. Der andere hatte eine Wunde im Nacken davongetragen, die aussah, als habe jemand versucht, ihn zu köpfen.
    Die beiden Männer waren zusammengebrochen und lagen reglos auf dem Sand.
    Wiebe beugte sich zu ihnen hinunter. Er erkannte, dass sich die Lippen des einen Mannes bewegten.
    »Was sagt Ihr?«, fragte er leise.
    Der andere röchelte. »Der Schrecken...«, flüsterte er und dann noch etwas, das Wiebe nicht verstand.
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    »Holt ihnen etwas zu trinken«, befahl Wiebe seinen Gefährten. »Danach schaffen wir sie hoch.«
    Als sich die Verletzten ein wenig erholt hatten, erzählten sie, sie seien von der Robbeninsel geflüchtet, auf der man sie ausgesetzt hatte. Am Vortag seien Männer auf Flößen von der Friedhofsinsel gekommen und hätten sie von hinten mit Bajonetten überfallen. Sie hatten den Steinmetz, Allert Janz und Jan Hendricks erkannt und auch den Kabinenjungen Pelgrom, der die Kinder erschlagen hatte. Sie selbst hätten sich gerettet, indem sie um ihr Leben rannten und sich in die Fluten warfen, doch einer sei ihnen hinterhergehetzt und habe mit dem Schwert nach ihnen geschlagen.
    Wiebe und seine Kameraden blickten sich an.
    »Unfassbar«, murmelte Wiebe. »Was soll dieser Wahnsinn?«
    Er musterte die beiden Männer abwägend. Wenn er das Grauen nicht in ihren Augen gelesen, und ihre Wunden ihm nicht als Zeugnis gedient hätten, wäre es ihm schwer gefallen, ihre Geschichte zu glauben. Allerdings weigerte er sich, den Unterkaufmann als Hintermann zu betrachten. Er traute Jeronimus vieles an Tücke zu, Mord jedoch nicht.
    Es dauerte nicht lang, bis Wiebe gezwungen war, seine Meinung zu ändern.
    Am nächsten Tag sichteten er und seine Kameraden ein Floß.
    Es trieb auf ihre Insel zu.
    Anfänglich dachte Wiebe, die Mörder hätten sich aufgemacht, den Männern nachzustellen, doch dann entdeckte er, dass sich lediglich ein Mann auf dem Floß befand, der sich kaum bewegte.
    In Begleitung mehrerer anderer watete Wiebe dem Floß entgegen und zog es an Land.
    Der einsame Passagier war der sehr entkräftete Aris Janz, den man ans Ufer tragen musste. Auch er hatte eine böse
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    Schwertwunde auf dem Rücken und berichtete mit schwacher Stimme und

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