Zorn der Meere
in Batavia um ein Haar an der Ruhr krepiert, so viel steht fest.«
»Habt Ihr in Holland oder sonst wo eine Ehefrau?«, fragte Sussie unverblümt.
»Ihr fragt einem ja Löcher in den Bauch«, scherzte Wiebe.
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»Na ja, ich dachte, da Ihr so gut ausseht, habt Ihr doch gewiss irgendwo eine Frau.«
Wiebe lachte schallend auf. »Nein«, erwiderte er. »Ich habe keine Frau.«
In diesem Moment tauchte Tryntgen hinter ihnen auf.
»Sussie!«, rief sie böse.
Sussie sah nach hinten und rasch wieder fort.
»Da scheint jemand etwas von Euch zu wollen«, bemerkte Wiebe, indem er in Tryntgens Richtung nickte.
»Das ist meine Schwester«, teilte Sussie ihm mit. »Ich glaube, sie möchte, dass ich mit ihr komme.«»Dann gehabt Euch wohl, mein Fräulein. Es war nett, mit Euch zu plaudern.«
»Ich heiße Sussie Frederix«, flüsterte Sussie ihm zu. »Wollt Ihr Euch das merken?«
»Vielleicht«, entgegnete Wiebe gutmütig. »Aber jetzt seid ein braves Mädchen, Sussie Frederix, und folgt Eurer Schwester!«
Er entließ sie mit einem freundlichen Nicken, während sein Blick erneut zu Judith hinüberwanderte.
»Ihr solltet auf das hören, was ich sage«, murmelte Sussie niedergeschlagen. »Judith ist nichts für Euch.«
Elf Grad und dreiundfünfzig Minuten südlicher Breite erster Tag des Februar im Jahre des Herrn, 1629
»Das ist etwas, was ich noch nie verstanden habe«, hub eine sanfte Stimme an. »Ob Ihr es mir wohl erklären könnt?«
Francois' Kopf fuhr herum.
Lucretia. Sie war zu ihm zurückgekommen! Sie hatte auch ihre Haube abgelegt, so dass der Wind an ihrem Haar zauste, das ihr offen bis zur Taille hing. Mit einem kleinen Stirnrunzeln sah sie zu, wie Francois mit dem Astrolabium hantierte.
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Gott möge mir vergeben, dachte Francois, als sich das vertraute Ziehen in seiner Brust einstellte, aber diese Frau ist einfach betörend.
»Das ist nicht schwer«, erwiderte er leise. »Es handelt sich lediglich um ein Instrument, mit dem ich erkenne, wie weit wir nach Süden oder Norden gesegelt sind. Man nennt es Astrolabium. Es misst die Breiten in Graden und Minuten, bis auf etwa eine Seemeile genau.«
»Und woher wisst Ihr, wie weit wir nach Osten oder Westen gesegelt sind?«
»Nun, das zu wissen ist eigentlich die Aufgabe des Kapitäns.
Ich führe "mein Handbuch lediglich zur Kontrolle, weil...«
Francois' Stimme versickerte. Ihre Augen gleichen Saphiren, dachte er, während seine Blicke weiterwanderten und sich in Lucretias Spitzenschal verfingen, der den Ausschnitt ihres Mieders verbarg. Ob dieser Herr van der Mylen wusste, welch ein Glückspilz er war?, fuhr es ihm durch den Sinn. Weiß er, dass er etwas besitzt, das für andere Männer nur in ihren Träumen existiert?
»Verzeiht«, murmelte er. »Ich war fü r einen Moment abgelenkt. Was hattet Ihr mich gefragt?«
»Ich wollte erfahren, woher Ihr - oder der Kapitän - wisst, wie weit wir nach Osten oder Westen gesegelt sind.«
»Oh, das... Nun, das tut der Kapitän mit Hilfe eines Logs«, beeilte Francois sich zu erklären. »Gewiss habt Ihr den Steuermann bereits dabei beobachtet, wie er ein Holzstück über die Reling wirft, das mit einer Seilwinde verbunden ist. Das Seil ist in Knoten unterteilt. Dann misst er die Zeit mit seiner Sanduhr, holt das Seil wieder ein und zählt die Knoten, die sich abgewickelt haben. Daran erkennt er, wie viel Fahrt wir machen.
Es ist keine sehr exakte Methode, fürchte ich, denn die Strömungen wie auch ein schlecht aufgerolltes Seil können bereits Ungenauigkeiten bewirken. Auch die Feuchtigkeit, die
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bisweilen in die Sanduhr dringt, kann zu Abweichungen führen.
Doch, wie dem auch sei, solange wir keine besseren Verfahren kennen, müssen wir mit dem vorlieb nehmen, was wir haben.
Was die Navigation angeht, verlassen wir uns in der Regel auf die Erfahrung eines guten Skippers.« Francois machte eine Pause, um Atem zu schöpfen.
Lucretia lachte leise. »Und?«, fragte sie. »Haben wir einen guten Skipper?«
Francois ließ seinen Blick zur Brücke schweifen, wo der Kapitän stand und sie zu beobachten schien. In Wirklichkeit ist er ein Lump, hätte er am liebsten erklärt, ein Halunke und ein Draufgänger noch dazu, ein unausstehlicher Bursche, den mir das grausame Schicksal ein zweites Mal zugeteilt hat - aber er ist dennoch ein guter Skipper.
»Er zählt zu den Besten«, erwiderte Francois laut.
»Darf ich mir dieses Astrolabium einmal ansehen?«, bat Lucretia.
»Selbstverständlich«,
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