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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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verhalten. »Irre ich mich, oder ist es tatsächlich wärmer geworden?«, fragte sie.
    »Ihr irrt Euch nicht«, versicherte Francois ihr mit einer Stimme, die er als fremd und eigenartig empfand. Das ist das letzte Mal, entschied er bei sich. Dieses Treiben muss ein Ende finden, und sei es nur um meines Seelenfriedens willen und noch einmal einer Nacht mit ruhigem Schlaf.
    Andererseits würde sich ein Rückzug schon aus Gründen der Höflichkeit ausgesprochen schwierig gestalten. Mit welchen Worten sollte er ihr sein neues Verhalten erklären? Lucretia suchte seine Gesellschaft, so viel stand fest. Allein über den Grund befand Francois sich noch im Zweifel. Kam sie, weil sie mit ihm zusammen sein wollte, oder war sie lediglich einsam und langweilte sich an Bord?
    Ich sollte vorbildlich sein, seufzte Francois. Ich muss mich zurückhalten und mich mit meinem Entsagen abfinden.
    Allerdings würde das nicht einfach sein, denn er hatte sich in Indien gern der Gunst schöner Frauen erfreut und wusste, auf was er im Begriff war zu verzichten.
    Nein, überlegte Francois, er konnte Lucretia unmöglich zurückstoßen. Er würde sich lediglich zwingen, sie als Freundin zu betrachten, würde beherrscht und liebenswürdig sein. So wird es gehen, ermunterte er sich. So war ihm das ja auch während der ersten Wochen gelungen.
    Lucretia hatte sich neben ihm über die Reling gebeugt, sagte jedoch nichts.
    Francois beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Er musste an ihr allererstes Gespräch denken.
    Wie erstaunt war er gewesen, als Lucretia ihm mit reizender Natürlichkeit schilderte, dass sie einfachen Verhältnissen entstammte und keineswegs, wie angenommen, einer reichen Familie aus der feinen Heerengracht!
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    »Mein Vater war nur Tuchhändler«, verkündete sie lachend.
    »Im Übrigen habe ich ihn gar nicht gekannt. Er starb noch in dem Jahr, in dem ich geboren wurde.«
    Francois war von ihrem Lachen entzückt. »Deshalb kann er doch vermöge nd gewesen sein.« Er schmunzelte.
    »Niemals«, erklärte Lucretia. »Wir wohnten in einem Häuschen am Neuen Damm. Wir waren nicht arm, aber reich waren wir auch nicht. Später hat meine Mutter sich dann wieder verheiratet, doch auch meinen Stiefvater kannte ich eigentlich nicht. Er war Kapitän und fuhr zur See. Nein, unser Vermögen verdanken wir einem Onkel, der es meiner Mutter hinterlassen hat. Erst da haben wir uns ein großes Haus an der Leleistraat leisten können.«
    »Woraufhin Euer Stiefvater der reichste Kapitän von Amsterdam geworden sein dürfte.«
    Lucretia hatte den Kopf geschüttelt. »Er war zuvor schon gestorben. Meine Mutter hat mich allein aufgezogen. Ich habe sie sehr geliebt«, hatte sie gestanden. »Seltsam, nicht wahr, nun ist sie schon seit so vielen Jahren tot, und doch gibt es immer noch Tage, an denen sie mir fehlt.«
    Francois beschloss nun, das frühere Gespräch noch einmal aufzugreifen und an eben diesem Punkt anzusetzen.
    »Ihr sagtet neulich, Ihr wäret im Grunde als Waise groß geworden«, hub er an, während er Lucretias Mienenspiel studierte. »Habt Ihr Euch denn dadurch nicht manchmal einsam gefühlt?«
    »Ich wurde erst mit elf Jahren Waise«, erwiderte Lucretia.
    »Danach nahm mich der Bruder meiner Mutter bei sich auf. Er war mein Vormund.« Sie hielt inne. »Ob ich einsam war?«, fuhr sie dann fort. »Ich glaube nicht. Und wenn, hat es mich nicht gestört.« Nach kurzem Zögern setzte sie hinzu: »Dieser Vormund war es auch, der zusah, dass ich eine gute Verbindung einging.«
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    Bei ihren Worten überrieselte Francois ein Hoffnungsschauer, denn Lucretias Aussage ließ zweifellos mehrere Deutungen zu.
    Er beschloss, an dieser Stelle einzuhaken und das Gespräch in die Bahn zu lenken, die ihm bereits seit einer Weile am Herzen lag.
    »Wie alt wart Ihr bei Eurer Hochzeit?«
    »Achtzehn. Ich bin seit neun Jahren verheiratet.«
    »Aber Ihr habt keine Kinder, nicht wahr?«
    »Das war wohl nicht Gottes Wille.«
    Francois entdeckte einen Ausdruck des Bedauerns auf Lucretias Miene und stellte fest, dass er gerade darüber liebend gern mehr erfahren hätte. Litt sie darunter, keine Kinder zu haben, oder bezog sie sich auf eine Schwierigkeit, die in ihrer Ehe begründet lag? Gib nur Acht, was du jetzt sagst, ermahnte er sich. Das ist ein delikater Moment.
    »Der göttliche Wille lässt sich nicht immer nachvollziehen«, fing er vorsichtig an.
    »Das trifft nicht nur für den göttlichen Willen zu«, entgegnete Lucretia. »Auch das, was die

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