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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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Menschen wollen, ist mir oft rätselhaft.«
    »Sprecht Ihr von Eurem Mann?«, fiel Francois ihr ins Wort, wobei er sich für seine Tollpatschigkeit verfluchte. »Ist er denn -
    Kindern - abgeneigt?«
    Lucretia betrachtete ihn verwundert. »O nein, wieso denn das? Mein Mann sehnt sich nach Kindern. Wo läge denn auch sonst der Sinn einer guten Ehe, wenn es keine Söhne gäbe, die den Namen weitertrügen?«
    Francois frohlockte. Das klang ihm nicht nach rauschhafter Leidenschaft. »Ihr Mann muss Euch sehr vermissen.«
    Lucretia zögerte. »Auf seine Weise vielleicht schon.«
    »Mir an seiner Stelle wäre es unendlich schwer gefallen, Euch
    -meine Frau für so lange Zeit zu entbehren.«
    -43-

    »Nun, er sucht sich in Ostindien zu verbessern. Er möchte sein Leben nicht als Juwelier beenden.«
    »Ich wäre schon damit glücklich, Euch zur Frau zu haben.
    Das allein wäre mir genug.« So, nun war es heraus! Es war natürlich hastig und unklug gesprochen gewesen - ach was, es war der helle Wahnsinn, er musste verrückt geworden sein.
    Lucretia schwieg für lange Zeit, während der sanfte Wind Strähnen unter ihrer Haube hervor zupfte und damit spielte.
    Als sie zu sprechen anhub, befürchtete Francois eine Zurechtweisung, doch stattdessen sagte sie nur: »Ich fühle mich nicht recht wohl, Herr Pelsaert. Ich glaube, ich werde mich in meine Kabine begeben.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Francois leise.
    »Ihr wart sehr liebenswürdig, mir Gesellschaft zu leisten«, murmelte Lucretia und berührte flüchtig seine Hand.
    Dann war sie verschwunden, hatte sich aufgelöst wie ein Schatten, während Francois vor sich hinstarrte und sich abwechselnd als Ehebrecher und Narr beschimpfte.
    Eine Mischung aus verbrauchter Luft und stinkendem Pfeifenrauch waberte wie dicker Nebel durch das Orlopdeck, wo die Soldaten lagen und sich die Zeit damit vertrieben, Dame oder Doppelkopf zu spielen.
    Wiebe Hayes hatte sein Spielbrett aufgeschlagen und eine Partie gegen Wouter Loos begonnen, während Zany Maftken sich zu ihren Füßen niedergelassen hatte und an einem Walzahn schnitzte.
    Hundert Mann lebten auf diesem Deck beieinander, wobei keiner von ihnen an einer Stelle aufrecht stehen konnte! Alle zwölf Stunden durften sie sich für dreißig Minuten zum Oberdeck begeben, um frische Luft zu schnappen, doch für die restliche Zeit hockten sie dicht gedrängt aufeinander.
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    Tagein, tagaus zusammengepfercht zu leben, nie den Kopf in die Höhe recken zu können, nie ungestört schlafen, immerzu das gleiche Essen und stets den Geräuschen und Gerüchen der anderen ausgesetzt - das kroch wie Gift in die Adern, setzte sich fest und verseuchte das Gemüt.
    Um dem Schlimmsten vorzubeugen, hatte die Companie bestimmt, jeden, der ein Messer zog, mit der Hand und jenem Messer an den Großmast zu nageln und dort so lange zu belassen, bis er sich von allein wieder zu befreien verstand.
    Dennoch kam es fortwährend zu Streit und Reibereien, und oftmals hatte der Steinmetz seine Hand dabei im Spiel.
    Der Steinmetz war eigentlich der Obergefreite Jakob Pieters, doch er wurde von den Soldaten nach seinem früheren Handwerksberuf benannt. Er war ein grobschlächtiger Klotz von einem Mann, schwerer und einen Kopf größer als die anderen, und mit einem Gesicht, vor dem sich selbst die abgebrühtesten Hafenhuren fürchteten. Seine Zähne waren schwarz und faulig, die Nase breit zusammengedrückt, das Kinn unsichtbar unter Fleischwülsten begraben. Seine Äußerungen beschränkten sich in der Regel auf das Notwendigste, und nie hatte ihn jemand lächeln gesehen. Alle, bis auf Wiebe Hayes und den stämmigen Bauernburschen Wouter Loos, fürchteten den Steinmetz, selbst der Maat war in seiner Gegenwart stets auf der Hut.
    In diesem Moment bewegte sich der Steinmetz auf Wiebe und seine Kameraden zu, stieß Zany mit einem Tritt beiseite und drängte sich wortlos an Wiebe vorbei.
    Zany rieb sich die Seite und begann, hinter dem Rücken des Steinmetzen Grimassen zu schneiden.
    Wouter Loos fing glucksend an zu lachen.
    Der Steinmetz fuhr mit geballter Faust herum.
    Beim Anblick seiner böse glitzernden Augen in dem vor Wut verzerrten Gesicht überlief Wiebe ein Schauder.
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    »Reiß dich zusammen!«, zischte er Zany warnend an, ehe er seine Aufmerksamkeit abermals dem Spielbrett zuwandte. »Du weißt, dass der Kerl nie etwas vergisst.«
    Zany zog ein Gesicht. Nach einer Weile schnupperte er in der Luft. »Ich glaube, der Steinmetz hat heimlich irgendwo in die

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