Zorn der Meere
und es würde ihn eine weitere Stunde kosten, bis er sich schlafen legen konnte.
»Abenteuer!«, wiederholte Jeronimus amüsiert. »Glaubt Ihr tatsächlich, dass Ihr in Batavia Abenteuer erlebt? Ihr werdet froh
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sein, wenn Ihr da überhaupt einmal das Sonnenlicht erblickt. Die meisten Kaufmannsgehilfen und Schreiber verbringen ihr Leben dort in einem muffigen Kontor.«
Zeevanck warf ihm einen gekränkten Blick zu. Was will er von mir? fragte er sich. Was hat er davon, mir mein bisschen Vorfreude zu schmälern?
»Wie seid Ihr an diese Stelle geraten?«, bohrte Jeronimus weiter.
»Es war der Wunsch meines Vaters -«
»Dachte ich es mir doch«, unterbrach Jeronimus ihn.
Nachdem sie für eine Weile geschwiegen hatten, hob Zeevanck unsicher an: »Seid Ihr unzufrieden, was meine Arbeit
-«
Jeronimus fiel ihm abermals ins Wort. »Ich bitte Euch, Zeevanck!«, erklärte er ungeduldig. »Hier gibt es nichts, was mich zufrieden oder unzufrieden macht. Eure Arbeit ist mir einerlei. Ich habe mich lediglich gewundert, wie Ihr Euer Dasein aushaltet. Da sitzt Ihr brav und fertigt Kopien von Briefen an, schreibt langweilige Listen über Vorräte und Frachten, verfasst später am Schreibtisch Kriegsberichte, seid, kurz gesagt, nichts weiter als ein stummer, treuer Diener. Niemand entbietet Euch Achtung, und kein Mensch hat Furcht vor Euch. Soll das immer so weitergehen? Wie lange wollt Ihr Euch damit noch begnügen? Wir segeln um die Welt, doch vor Euren Augen befindet sich stets nur ein Stück Papier und ein Tintenfass. In Eurem Innern müsste es doch schwelen, Ihr müsstet rastlos sein, müsstet wissen, dass Euch Besseres gebührt! Ist es nicht so, Zeevanck?«, schloss Jeronimus, ehe er sich erhob und den Raum verließ.
Fünfundzwanzig Grad und dreiundvierzig Minuten südlicher Breite
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zwanzigster Tag des März im Jahre des Herrn, 1629
Lucretia blätterte ihr Tagebuch auf und betrachtete die leeren Seiten. Als sie die Reise antrat, war sie davon ausgegangen, dass sie auf jeder von ihnen täglich neue Begebenheiten festhalten würde, doch stattdessen hatten sich die Tage aufgelöst und waren zu einem formlosen Einerlei verschmolzen.
Lucretia zündete die Öllampe an, die über ihr an den Kardanringen befestigt war, sodass kein Öl herausfloss, wenn der Seegang unruhig wurde. Sie taucht die Feder in ihr Tintenfass und schrieb:
So gefällig der Unterkaufmann Jeronimus Cornelius auch sein mag, so ist ihm doch etwas Beunruhigendes zu Eigen, denn bisweilen stiehlt sich ein Ausdruck in seinen Blick, der mich erschreckt. Der Kommandeur indes, der sich auf Menschen versteht, hat eine hohe Meinung von ihm, sodass ich nicht weiß, ob ich mir nur etwas einbilde. Was den Kommandeur betrifft, gibt es hingegen keinerlei Zweifel: Er ist ein wundervoller Mann, von tadellosem Wesen. Das darf auch nicht anders sein, weil auf einer Reise wie dieser die unterschiedlichsten Charaktere zusammengewürfelt werden und die einzelnen Gruppen sich nicht immer wohlgesinnt sind. Die Seeleute verachten die Passagiere, die wiederum begegnen den Kaufleuten nur widerwillig mit Respekt, während die Soldaten mit niemandem etwas zu tun haben wollen und unter sich bleiben. Da bedarf es einer starken Persönlichkeit, damit die Ordnung aufrecht erhalten bleibt.
Lucretia hielt inne. Stimmte das, was sie da schrieb? Gab es tatsächlich Spannungen an Bord?
Sie hörte, dass die Schiffsglocke das Mittagsmahl einläutete, erhob sich seufzend und schickte sich an, in die Offiziersmesse zu gehen.
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Francois hatte von Anfang an geahnt, dass er sich auf diese Fahrt nie hätte einlassen dürfen, denn als sie begann, war er erst seit kurzem aus Indien zurückgekehrt, wo das feuchte, schwüle Klima seine Gesundheit angegriffen hatte. Zuletzt hatte jedoch sein Ehrgeiz gesiegt. Wie hätte er auch nein sagen können, wenn man ihn zum Flottenpräsidenten ernannte und ihm dadurch die Möglichkeit in Aussicht stellte, Mitglied des Rates der Companie zu werden und Ruhm und Reichtum zu ernten, also genau das, worauf er seit zehn Jahren hingearbeitet hatte?
Dennoch hatte er anfänglich gezaudert. Den Ausschlag hatte schließlich sein Schwager gegeben, einer der 17 Herren der Companie, der ihn gedrängt und auf das Einmalige dieser Gelegenheit hingewiesen hatte. Doch als Francois an Bord der Batavia stieg und sein Auge auf Kapitän Jacobs fiel, war ihm klar geworden, dass seine Entscheidung ein Fehler gewesen war.
Oder war das in dem Moment geschehen, als
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