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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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hatten, bestrafen, verfügte jedoch nicht mehr über die dazu notwendige Macht. Seine Macht wurde jedoch noch geringer, je länger er zögerte. Demnach musste er dringend etwas unternehmen, ehe sie weiterhin schwand und er sich im Kreis drehte und beinahe verrückt wurde, weil er weder den Anfang noch das Ende fand.
    Francois hatte allerdings nicht die Mühe gescheut, jeden Einzelnen aus der Mannschaft persönlich zu verhören. Doch außer Schulterzucken und einsilbigen Antworten hatte ihm das nichts eingebracht. Keiner von der Nachtwache hatte etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört, obgleich die Männer Francois nicht in die Augen sahen, während sie ihre Unwissenheit beschworen.
    Als äußerst unerträglich hatte Francois seine Unterredung mit Pfarrer Bastians empfunden, der ihm langatmig nachzuweisen versuchte, die Frau stecke grundsätzlich hinter jedem Sündenfall.
    Als Letzten bat Francois Jeronimus zu einem Gespräch unter vier Augen. Ihm hatte er aufgetragen, eigene Nachforschungen zu betreiben.
    Der Unterkaufmann wirkte seltsam gereizt, als er Francois gegenübersaß, so als habe dieser ihn mit einer Nebensächlichkeit wie dem Aufspüren einer Kiste gestohlenen Schiffszwiebacks belästigt.
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    Francois betrachtete ihn verwundert.
    Er hat meinen Tod gewünscht, erkannte er plötzlich. Und nun hat er sich abermals meinen Befehlen zu beugen. Wie ärgerlich muss das für jemanden sein, der kurz davor stand, selbst das Kommando zu übernehmen!
    Francois gelang es jedoch, seine Einsicht zu verbergen.
    »Nun, was habt Ihr herausgefunden?«, erkundigte er sich liebenswürdig.
    »Ich habe eine Liste derer zusammengestellt, die ich für verdächtig halte«, entgegnete Jeronimus.
    Er schob einen Bogen Papier über den Tisch, der mit seiner gestochenen Schrift bedeckt war. Francois nahm ihn entgegen.
    Als er die Namen las, hob er jedoch die Brauen, denn es handelte sich entweder um die unauffälligsten oder die beliebtesten Männer an Bord. Namen wie die von Jacobs, Jan Everts oder auch der von Zwaantie fehlten.
    »Wie seid Ihr denn auf diese Menschen gekommen?«, fragte Francois überrascht.
    »Sie hatten entweder Nachtwache oder wurden zurzeit des Überfalls von Zeugen an Deck gesehen.«
    »Es sind ausschließlich Männer, die mir geschworen haben, die Nacht hoch oben in den Masten verbracht zu haben.«
    Jeronimus schwieg mürrisch.
    Was soll's? dachte Francois. Ich werde seine Liste einfach ignorieren. Der Himmel mag wissen, welche Gründe ihn zu seiner Auswahl bewogen haben. Dass ich eine Meuterei auslösen würde, wenn ich diese Leute zur Rechenschaft zöge, ist eine andere Sache. Sollte er das beabsichtigt haben, werde ich ihm diesen Dienst nicht erweisen.
    »Ich danke Euch für die Mühe, Jeronimus«, bemerkte Francois und bedeutete dem anderen, dass er entlassen war.
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    Jeronimus erhob sich. In der Tür wandte er sich noch einmal um und fragte: »Wie steht es übrigens um Frau van der Mylen?«
    »Körperlich ist sie geheilt. Ihr Geist wird allerdings ein wenig länger brauchen, um sich zu erholen.«
    »Die Schuldigen müssen hart bestraft werden, Herr Kommandeur.«
    »Gewiss. Es wäre mir jedoch recht, wenn diejenigen, die ich bestrafe, auch die Schuldigen wären.«
    Seine Ironie entging Jeronimus nicht. Er blickte Francois gerade ins Gesicht. Dann lächelte er böse und erkundigte sich:
    »Wie geht es eigentlich Euch, Herr Kommandeur? Seid Ihr wieder hergestellt und im Vollbesitz all Eurer Kräfte?«
    »Ich denke schon, Herr Unterkaufmann«, entgegnete Francois. Dieser widerlich lächelnde Leisetreter muss erkannt haben, dass mir immer noch der Schweiß ausbricht, überlegte er.
    »Besten Dank für die Nachfrage«, setzte er jedoch hinzu. »Ich weiß Eure Fürsorge zu schätzen.«
    Als Jeronimus in den Gang hinaustrat, war er vor Zorn kreideweiß und hätte vor Wut am liebsten gebrüllt. Pelsaert war ein Zauderer, fluchte er bei sich, ein Duckmäuser, ein feiger Hund, der sich zu keiner Tat durchringen konnte.
    Jeronimus blieb unvermittelt stehen. Vielleicht ist er aber auch nur so klug und gerissen, grübelte er, dass er die Lage nüchtern einschätzt und die Gefahr einer Meuterei erkennt. In dem Fall konnte er, Jeronimus, nur noch auf das Schicksal bauen und hoffen, dass es zu seinen Gunsten einschritt und den Kommandeur zu einem Fehler verführte.
    Sie und ich, wir sind gebildete und kultivierte Menschen, die sich kritisch einschätzen können. Daher wissen wir, dass wir uns niemals wie

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