Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
Vom Netzwerk:
nicht wie aufgescheuert aus«, bemerkte Francois.»Ich war dabei, als es geschah«, ließ sich der Kapitän vernehmen, der nun hinzugetreten war.
    Francois hob den Kopf. »Tatsächlich?«, fragte er.
    »Ja, tatsächlich«, erwiderte der Kapitän ausdruckslos.
    Als das Schiff sich mit den Wellen hob, musste Francois nach der Reling greifen und ließ Jans Hand fahren.
    Der Kapitän balancierte das Schaukeln des Schiffs geschmeidig auf den Fußballen aus. »Du verschwindest jetzt am besten«, befahl er Jan, der ihm bereitwillig gehorchte.
    Danach blickte Jacobs Francois herausfordernd an. »Habt Ihr noch etwas auf dem Herzen?«, fragte er.
    -151-

    »Etliches«, erwiderte Francois. »Doch um das zu verhandeln, begeben wir uns besser unter Deck.«
    Als der Kapitän in Francois' Kajüte stand, verschränkte er die Arme vor der Brust und ließ seinen Blick mit offenkundiger Verachtung über die kostbare Einrichtung, die Bücher und den roten Samtsessel schweifen, auf dem Francois sich niedergelassen hatte.
    »Ihr habt gehört, was Frau van der Mylen widerfahren ist, nehme ich an«, ergriff Francois das Wort.
    Der Kapitän nickte stumm.
    »Jan Everts gehört eindeutig zu den Schuldigen. Das an seiner Hand sind Bisswunden.«
    »Jan ist einer meiner besten Leute, auf den verzichte ich nicht.«
    Francois lehnte sich zurück. »Ich fürchte, das zählt nicht«, entgegnete er. »Hier geht es um eine Frau und darum, was ihr zugefügt wurde. Das ist eine Frage der Ehre.«
    »Ich hoffe, Ihr wisst, was Ihr tut«, antwortete der Kapitän.
    »Ihr habt niemanden auf Eurer Seite. Meine Männer glauben, dass Ihr einfach nur einen Sündenbock sucht.«
    »Ich hoffe, das ist nicht als Drohung gemeint. Auf diesem Schiff gilt immer noch das, was ich glaube.«
    Der Skipper hob anzüglich die Brauen. »Wenn Ihr Euch da nur nicht irrt.«
    Es ist aussichtslos, dachte Francois, der sich mit einem Mal zutiefst entmutigt fühlte. Ich komme einfach nicht weiter. Er hat die
    Seeleute hinter sich. Wenn er will, werden sie meutern. Sie würden zwar am Ende bestraft, doch auf meine Art wäre ich dann ebenfalls gescheitert. Es wird auch nur noch wenig nutzen, wenn ich ihn zwinge, mir Jan Everts auszuliefern. Selbst wenn Jacobs einwilligt, tut er das lediglich, weil er es so will.
    -152-

    Nachdem er für lange Zeit geschwiegen hatte, sagte Francois:
    »Ihr könnt gehen. Das wäre für den Moment alles.«
    Im Blick des Skippers vermischten sich Trotz und Spott, ehe er die Achseln zuckte und verschwand.

    -153-

    IX

    Ich hasse Menschen, die leichten Herzens Entscheidungen treffen, denn das sind solche, die sich von ihren Grundsätzen leiten lassen und die sich treu bleiben, ganz gleich, welchen Preis man von ihnen verlangt.
    Pelsaert ist zum Glück keiner von ihnen. Unser Herr Kommandeur ist lediglich intelligent. Das ist mir persönlich auch lieber, denn ein Mann, der sich auf seine Geisteskraft verlässt, schwankt. So jemand vermag nämlich unterschiedliche Entscheidungen zu begründen und dabei die eine so logisch abzuhandeln wie die zuvor.
    Im ersten Impuls will natürlich auch der Kommandeur entschieden reagieren, genau wie wir alle. Dann jedoch hält er inne und wägt ab, streift prüfend durch sein Denkgebäude und überlegt, ob das, wofür er sich entschieden hat, auch passt.
    Man kann ihm zwar nicht immer folgen und bisweilen wundert man sich sogar über ihn, doch zum Schluss wird er uns überzeugen. Oder besser ausgedrückt: Wir werden ihm zustimmen, wenngleich wir argwöhnen, dass er Unrecht hat.
    Doch möchten Sie mit ihm streiten?
    Haben Sie Lust, einem Verstandesmenschen zu erklären, dass er einseitig ist? Nur um sich anschließend die Vielzahl seiner Gegenargumente anzuhören?
    Sehen Sie?
    Ich auch nicht.

    Zweiunddreißig Grad und sechs Minuten südlicher Breite siebenundzwanzigster Tag des Mai im Jahre des Herrn, 1629

    -154-

    Zwei Wochen waren seit dem Überfall auf Lucretia verstrichen, doch Francois hatte sich noch immer nicht für die richtige Vorgehensweise entschieden. Er wusste, dass er sich in einem Dilemma befand, doch wie er es lösen sollte, wusste er nicht. Hinnehmen konnte er Lucretias Vergewaltigung in keiner Weise. Wenn er sich indes Jan Everts als einen der Schuldigen griffe, hätte er den Kapitän gegen sich und damit sämtliche Matrosen. Auf der anderen Seite beraubte ihn sein Zaudern seiner Glaubwürdigkeit vor allen Anwesenden. Auch das war Francois klar. Kurzum, er musste die Männer, die sich an Lucretia vergangen

Weitere Kostenlose Bücher