Zorn der Meere
und einverstanden.« Jan fiel abermals in sich zusammen. »Wenn Ihr es zugelassen habt, müsst Ihr mir jetzt auch helfen«, verlangte er weinerlich.
»Außerdem hat die Hure es so gewollt.«
Der Kapitän erhob sich abrupt. Das fehlte noch, dass sein Name in dieser Angelegenheit fiel! »Ich hatte nicht die geringste Ahnung«, erklärte er nachdrücklich.
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Jan hörte ihm nicht zu. »Seht zu, dass Ihr mich befreit!«, wiederholte er, nun mit eindeutig drohendem Unterton. »Ich halte meinen Kopf nicht für alle hin. Ich ziehe jeden mit rein.«
Er streckte die Hände nach Jacobs' Beinen aus.
Der Kapitän machte einen Schritt rückwärts. »Ich will sehen, was sich tun lässt«, murmelte er. »Aber versprechen kann ich dir nichts.« Danach wandte er sich ab und gab dem Marschall ein Zeichen, die Kerkertür wieder zu versperren.
Auf dem Weg zu seiner Kajüte merkte Jacobs, dass ihm der Schweiß ausbrach. Die Ohren zu verschließen, als die Männer planten, Madame Hochnäsig eine Lektion zu erteilen, war eine Geschichte. Als Mittäter zu gelten war eine andere.
Es wäre tatsächlich für alle am besten, wenn Jan stürbe, grübelte der Kapitän. Vielleicht hatte der Herr Pfarrer zum guten Schluss doch Recht, wenn er behauptete, es gäbe Seelen, für die Gott von vornherein die Hölle vorsah.
Francois hatte an Deck das Nahen neuerlicher Fieberanfälle verspürt und sich eiligst in seine Kajüte begeben, ehe sein Zittern für jedermann offenkundig wurde. Abgesehen davon hatte er ohnehin vor, die Ereignisse der vergangenen Tage zusammenzufassen und in sein Handbuch einzutragen.
Doch als er die Feder in die Tinte eintauchen wollte, merkte er, dass seine Hände zum Schreiben zu unstet waren. Auch übermannte ihn in kurze n Abständen das Gefühl, er taumele in ein Loch.
Francois lehnte sich in seinem Sessel zurück, atmete tief durch und schloss die Lider. Erleichterung verschaffte ihm das jedoch nicht, denn nun konzentrierten sich seine Gedanken wieder auf die allzu vertrauten Themen. Gewiss, überlegte er, er hatte einen Schuldigen in den Kerker gebracht und gleichwohl war die befürchtete Meuterei ausgeblieben. Selbst Jacobs hatte nicht rebelliert. Francois konnte sich indes gut vorstellen, was die Männer über ihn, den Kommandeur, dachten. Er sah ja ihre
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finsteren Blicke und merkte, dass sie verstummten, wenn er zu ihnen trat.
Francois rieb sich die Schläfen. Er hatte keine Ahnung, wie das Ganze weitergehen sollte. Er wusste lediglich, dass er einen Auftrag auszuführen hatte, von dem das Wohl und Wehe seiner Zukunft abhing. Dazu benötigte er vor allem den Kapitän.
Genauso dringend brauchte er jedoch die Buren, um die Mannschaft in Schach zu halten, und die Buren war nirgendwo in Sicht...
Francois zuckte zusammen. Jemand klopfte an seine Tür.
Es war der Unterkaufmann, der mit Sorgenmiene die Kabine betrat.
»Fühlt Ihr Euch nicht wohl, Herr Kommandeur?«, erkundigte er sich mitfühlend.
»Danke, es ist nichts, allenfalls eine vorübergehende Schwäche.«
»Soll ich den Arzt rufen?«
Francois schüttelte den Kopf. »Nein, mir steht der Sinn nicht nach seinen Arzneien. Ich lege mich vielleicht für einen Moment hin. Spätestens morgen früh bin ich wieder auf dem Damm.«
Jeronimus lächelte. »Ein tröstlicher Gedanke«, versicherte er.
Francois schob sein Handbuch beiseite. »Ihr könntet mir aber einen Gefallen erweisen«, begann er, indem er sich erhob.
»Redet mit dem Skipper. Erinnert ihn an die Warnung des Gouverneurs bezüglich der Riffe. Er soll die Marsen voll besetzen lassen.«
»Der Skipper ist der Ansicht, dass wir noch sechshundert Meilen vom Südland entfernt sind. Seiner Meinung nach liegen hier keine Riffe.«
»Will er nun auch noch die Worte des Gouverneurs missachten?«, fragte Francois müde.
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»Ihr wisst doch, wie er ist. Er mag es nicht, wenn man ihm dreinzureden versucht.«
Jeronimus' Stimme schien von weit her zu kommen. Francois fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Sie war feucht und klebrig. Wie kann ich denn schwitzen? ging es ihm durch den Sinn. Wo mir doch die Kälte wie Eis durch die Adern fährt?
Jeronimus hatte sich interessiert vorgebeugt. »Herr Pelsaert?
Braucht Ihr Hilfe?«
»Es geht schon, danke. Ich begebe mich besser zu Bett. Denkt bitte an meine Worte. Redet mit dem Skipper!«
Nachdem Jeronimus verschwunden war, entkleidete sich Francois und kroch unter die schweren Decken auf seinem Lager. Er hörte, dass seine Zähne aufeinander
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