Zorn des Loewen
hinunter. Mit ernster Miene blickte er wieder hoch.
»Da müssen mindestens zwei Dutzend Löcher entlang der Wasserlinie sein. Das Boot leckt wie ein Sieb. Kein Wunder, daß das verdammte Ding so langsam geworden ist.«
Sie eilten an Deck in das Ruderhaus. Die elektrische Pumpe war in einem Schrank in einer Ecke untergebracht. Der Zustand der Türen jedoch, sie waren von Kugeln zersplittert, sagte ihnen schon, was sie vorfinden würden. Mallory untersuchte kurz das zerschmetterte Gerät und drehte sich dann mit grimmigem Gesicht um: »Hinter dem Maschinenraum findest du eine Handpumpe. Gib alles, was du hast, und bleib so lange dran, wie du kannst, dann werde ich dich ablösen.«
»Ich verstehe, die Dinge stehen schlecht, was?«
»Nur, wenn uns die Alouette in diesem Zustand erwischt«, stellte Mallory fest.
Guyon verließ wortlos das Ruderhaus und ging auf das Deck hinaus. Kurze Zeit später vernahm Mallory das rhythmische Klappern der Handpumpe. Er schaute zum Fenster hinaus auf den bräunlichweißen Wasserstrahl, der sich über das Deck ergoß, übernahm erneut das Ruder und wartete darauf, daß die Fleur de Lys an Gewicht verlor.
16
Meeressturm
Als die Fleur de Lys zuerst in Fenelons Blickfeld geriet, erstarrten seine Sinne, so, als wollten sie sich weigern, im Augenblick das aufzunehmen, was schlichtweg eine Unmöglichkeit war. Über das Fadenkreuz glitt ein Wasserschleier, der vorübergehend die Sicht verdunkelte, darum ließ er das Periskop noch ein wenig weiter ausfahren.
Die Fleur de Lys m it ihren unverwechselbaren, ihm so vertrauten Umrissen kam in sein Blickfeld. Aufgeregt trug er dem Matrosen an seiner Seite auf: »Hol Monsieur Jacaud her. Sag ihm, er solle sich beeilen.«
Kurz darauf erschien Jacaud. »Was gibt's?«
»Schau mal.«
Der hünenhafte Mann packte die Griffe des Periskops und neigte seinen Kopf. Dann drehte er sich um, und als er Fenelon anblickte, zuckte ein Muskel in seiner rechten Wange.
»Was mag da schiefgegangen sein?«
Fenelon zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hast du mit dem Maschinengewehr ihren Motor zerstört oder sogar ihren Rumpf durchlöchert. Was spielt das schon für eine Rolle? Soll ich auftauchen? Wir müßten in der Lage sein, sie ohne größere Schwierigkeiten zu entern.«
Jacaud schüttelte den Kopf. In seinen kalten Augen glimmte
etwas auf. »Ich habe eine bessere Idee. Erinnerst du dich an die Kontoro? Du sagtest, ein Torpedo würde genügen. Zeig uns, was du kannst.«
Fenelon fühlte, wie das Blut in seine Schläfen schoß, und sein Herz begann heftig zu klopfen. »Mein Gott, das ist gut. Die werden gar nicht mehr herausfinden können, wovon sie getroffen wurden.«
»Das ist mir egal«, sagte Jacaud, »solange danach nichts mehr von ihnen übrig ist.«
Die Alouette war mit zwei Fünfzig-Zentimeter-Torpedos ausgerüstet, die im Bug in Stellung gebracht waren. Fenelon holte tief Atem, nahm Haltung an und gab klare, kurze Befehle.
»Position des Feindes: eins-zwei-fünf. Geschwindigkeit: sechs Knoten. Entfernung: eintausendfünfhundert.«
Diese Daten, die in eine komplizierte, elektronische Vorrichtung eingegeben wurden, beinhalteten den Neigungswinkel, den die Torpedos einhalten mußten, wenn sie, aus einer bestimmten Entfernung abgeschossen, dasselbe Ziel zur selben Zeit erreichen sollten.
Einen Augenblick später rief der Maat: »Neigung eins-drei Grad rechts, Sir.«
Fenelon zog die Periskopgriffe in Augenhöhe und preßte die Augen an die Gummi der Augenmuschel. »Beide Geschütze fertig machen!«
»Beide Geschütze fertig, Sir.«
Fenelon fühlte die Schweißtropfen über sein Gesicht rinnen, und sein Herz schien in seiner Brust zu zerspringen. Er hatte so oft Männer über diesen Moment reden hören, Männer, die sich auskannten, die ihm alles davon erzählt hatten. Nun war es auch für ihn zum ersten Mal soweit.
»Fertig machen zum Feuern!«
Die Fleur de Lys lag eindeutig im Brennpunkt. Seine Hände umklammerten die Griffe.
»Erstes Torpedo, Feuer!«
Das U-Boot schwankte etwas, als die Rakete hinausschoß, und der Mann am Geschütz bestätigte: »Torpedo abgefeuert.«
»Zweites Torpedo, Feuer!«
Wieder schwankte das U-Boot.
»Torpedo abgefeuert.«
Fenelon drehte sich zu Jacaud: »Willst du's dir anschauen?«
Er stieß ihn rauh zur Seite und beugte sich zu den Griffen.
Immer noch arbeitete Guyon schweißtriefend an der Pumpe. Die Fleur de Lys bewegte sich
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