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Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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er sich zu ihr. »Geh nur, Gertie, und bediene Mistress Martin - auch wenn ich nicht bei ihr sitze. Ich fürchte, sie wird sonst vor Hunger in Ohnmacht fallen.«
    Die alte Frau zwinkerte ihm zu. »Sicher, Sir Jamie, das wollen wir auf gar keinen Fall.«
    »Wohin ist denn die kleine Doris gegangen?«
    »Doris? Keine Ahnung. Sie sagte, Euer Bruder hätte ihr für den Fall, dass er vor der Abenddämmerung nicht zurückkäme, einen Auftrag erteilt.«
    »So? Hat er das?«
    Jamie folgte Doris die steinernen Stufen zum ersten Stock hinauf. Sein Schlafgemach lag auf der einen Seite des Stiegenhauses, auf der anderen befanden sich zwei kleinere Gästezimmer. Doch davor war Doris nicht stehengeblieben. Er sah sie am Ende des Korridors, bevor sie nach rechts bog, um weiter nach oben zu gehen - zu dem Stockwerk, wo Colen eines von vier Zimmern bewohnte.
    »Doris!«
    Sie spähte um die Ecke, dann kam sie zurück und trat in den Lichtschein der Fackel, die neben dem Aufgang steckte.
    »Wohin bringst du das Essen?« fragte er, als er sie eingeholt hatte. »Ich hoffe, man hat mir nicht verschwiegen, dass jemand krank ist?«
    »Nein, ich glaube, sie ist nicht krank.«
    »Sie?«
    Doris zögerte, aber sie wusste , dass man dem Laird nichts verheimlichen durfte. »Das Mädchen, mit dem der junge Herr Colen sein Zimmer teilt.«
    »Ah, er hat ein Mädchen bei sich? Wer ist es denn?«
    »Das weiß ich nicht, Sir Jamie, ich habe sie noch nie gesehen. Aber das alles ist so merkwürdig. Er schärfte mir ein, den Riegel gleich wieder vorzuschieben, wenn ich ihr das Abendessen gebracht hätte. Warum sperrt er das arme Ding ein? Ich finde das nicht richtig.«
    Lächelnd hob er die Brauen. »Ja, warum tut er das? Gib mir die Platte! Ich werde für ihr leibliches Wohl sorgen und herausfinden, was da los ist.«
    Jamie grinste belustigt, während er das Servierbrett zum zweiten Stock hinauftrug. Sein Bruder hatte also eine Geliebte bei sich aufgenommen - eine, die er für sich allein haben wollte. Kein Wunder, dass er sich so sonderbar benahm ... Wahrscheinlich war der Junge zum erstenmal verliebt. In Colens Alter hatte Jamie die gleichen Gefühle verspürt und konnte sich noch gut daran erinnern. Doch diese schwärmerischen Zeiten waren schnell vorbeigegangen, und er hatte nie wieder so empfunden. Fast hätte er Colen um dieses herzbewegende Erlebnis beneidet. Nun, der Junge wird noch früh genug merken, dass es nicht die wahre Liebe ist, dachte Jamie. Und bevor die bittere Enttäuschung kommt, soll er sein Glück in vollen Zügen genießen.
    Colens Schlafkammer war tatsächlich versperrt. Jamie schob den Riegel zurück und die Tür auf. Dahinter lag tiefe Finsternis. Das Fackellicht vom Korridor fiel nur ein paar Schritte weit in den Raum.
    Er blinzelte. »Wo seid Ihr, Fräulein?«
    »Hier.«
    Er wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, doch er konnte das Mädchen noch immer nicht sehen. »Wir haben eine Menge Kerzen im Schloss . Seid Ihr so häßlich, dass Colen Euch im Dunkeln verbergen muss ?«
    »Auf dem Tisch steht eine Kerze.«
    »Warum zündet Ihr sie denn nicht an?«
    »Wozu?« fragte sie tonlos. »In diesem Zimmer gibt es nichts für mich zu tun, wofür ich Licht bräuchte.«
    Jamie lachte leise. Da hatte Colen wirklich ein seltenes Exemplar gefunden, eine Geliebte, die sich ausschließlich damit befaßte, auf ihn zu warten und seine Wünsche zu erfüllen.
    Jamie entdeckte das Bett und ging darauf zu. Jetzt nahm er die Umrisse einer Gestalt wahr, die dort saß. Er stellte das Tablett auf den Tisch.
    »Ihr seid nicht das Mädchen, dass mir mein Essen bringen sollte«, bemerkte sie unsicher.
    Jamie gab keine Antwort. Er fand die Kerze, und wenige Sekunden später war der Raum in flackerndes Licht getaucht. »So mein Fräulein, wer...«
    Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken, als er sich umdrehte und das Mädchen anschaute. Was er da sah, konnte nicht Wirklichkeit sein! Das feingezeichnete ovale Gesicht, die leuchtenden tiefblauen Augen, das dunkelrote Haar... Wann hatte er davon geträumt?
    Mit unverhohlener Neugier starrte sie ihn an, und er wagte nicht zu sprechen, aus Angst, sie würde sich in Luft auflösen. Und plötzlich wusste er, warum ihm das Atmen so schwerfiel. Das war seine Wassernixe aus dem Teich in jenem kleinen, bewaldeten Tal. Ihr Bild war im Lauf der Zeit ein wenig ver blass t, aber seine Gefühle hatten sich nicht geändert.
    Während sich das Schweigen in die Länge zog, lächelte sie, und beim

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