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Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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mit neuen Fleischgerichten und gössen Bier nach.
    Der Tisch auf dem Podest des Lairds war noch leer. Es galt als Verbrechen, das Essen für den Laird aufzutragen, bevor er erkennen ließ, dass er zu speisen wünschte. Nichts konnte James MacKinnion heftiger erzürnen als eine kalte Mahlzeit. Unerfahrene Dienstboten, die eben erst ins Schloss gekommen waren, lernten das auf unsanfte Weise. Solange man James Wut nicht am eigenen Leib zu spüren bekam, konnte sie recht unterhaltsam sein, und deshalb war niemand bereit, die Neuankömmlinge einzuweihen.
    Nur eine einzige Person saß mit mürrischer Miene an Jamies Tisch - Jessie Martin, eine Kusine seines Schwagers Dobbin. Er hatte sie warten lassen, und das mißfiel ihr. Vor drei Wochen hatten Dobbin und seine Frau Daphne, Jamies Schwester, das Schloss Kinnion besucht und Jessie mitgebracht. Aber sie war nicht mit ihnen abgereist und hatte Jamie tagelang zu verstehen gegeben, dass sie zu seiner Verfügung stünde. Schließlich war er auf ihr Angebot eingegangen.
    Gestern hatte er dann endgültig genug von ihr gehabt - zumindest glaubte er das. Doch als er sie jetzt in ihrem tief ausgeschnittenen burgunderroten Samtkleid sah, musste er sich eingestehen, dass er noch niemals eine bessere Geliebte besessen hatte. Wenn Tante Lydia ihr nur etwas freundlicher gesonnen wäre... Sie konnte Jessie nicht ausstehen. Seit deren Ankunft verkroch sie sich in ihrem Zimmer im Nordturm und kam nur selten heraus. Tante Lydia verachtete schamlose Frauen.
    Nun, manchmal brauchte ein Mann so eine Frau, vor allem, wenn er nicht heiraten wollte. Und man musste Jessie zugestehen, dass sie einen Mann zu erfreuen wusste . Nach vier gescheiterten Verlobungen behauptete sie, keinen Gedanken mehr an eine Ehe zu verschwenden. Jamie hegte da gewisse Zweifel. Alle Frauen, die er bisher kennengelernt hatte, waren ganz versessen aufs Heiraten gewesen. Nun, falls Jessie solche Ziele verfolgte, würde sie eine herbe Enttäuschung erleben.
    »Können wir endlich zu essen anfangen?« fragte sie verdrossen, sobald er sich zu ihr gesetzt hatte.
    Ihr Tonfall ärgerte ihn. »Jetzt, wo ich da bin, wird man uns bedienen. Aber du hättest nicht auf mich warten müssen, Mädchen.«
    »An diesem Tisch wird nicht serviert, bevor du Platz genommen hast«, erinnerte sie ihn bissig.
    »Da drüben am langen Tisch ist genug Platz - und dort gibt's auch eine Menge zu essen.«
    Es war ein Privileg, am Tisch des Lairds zu speisen, und Jessie wusste , dass er ihr das klarmachen wollte. Er konnte sehr herzlos sein. Aber sie wollte ihn mit aller Macht für sich gewinnen. Nie zuvor war ihr ein so begehrenswerter Mann begegnet. James MacKinnion - hübsch, reich und noch dazu ein Laird - verkörperte alles, was sie je erträumt hatte. Das war ihr schon bewußt geworden, als sie ihn bei der Hochzeit ihres Vetters zum erstenmal gesehen hatte. Seither hatte sie Dobbin unentwegt in den Ohren gelegen und ihn angefleht, sie doch mitzunehmen, wenn er Schloss Kinnion besuchte. Dazu hatte er sich erst nach drei Jahren bereit gefunden. Und nun war sie endlich hier - fest entschlossen, das Feld nie wieder zu räumen.
    »O Jamie, du darfst mich nicht so ernst nehmen.« Sie lächelte ihn liebreizend an. »Wenn ich Hunger habe, bin ich immer schlecht gelaunt. Aber damit werde ich dich in Zukunft nicht mehr behelligen.«
    Er ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. »Das will ich hoffen, Jessie. Ich muss dir nämlich sagen, dass ich nichts für zänkische Frauen übrig habe, die ständig an einem herumnörgeln. So was brauche ich nicht zu dulden, und ich will es auch gar nicht. Du bist ein nettes Mädchen, das leugne ich nicht, und ich werde für dich sorgen, so lange du mein Bett teilst. Aber ansonsten kannst du keine Ansprüche an mich stellen.«
    »Das weiß ich, und es tut mir wirklich leid, dass ich dich geärgert habe«, beteuerte sie hastig und bemühte sich verzweifelt das Thema zu wechseln. »Schau doch, da kommt das Mädchen mit unserem Essen...«
    Jessie unterbrach sich, denn die Küchenmagd trug ihr Servierbrett zum Ende der Halle, in die Richtung der Treppe, die nach oben führte. Der Tisch des Lairds war nicht ihr Ziel. Als sie durch den Torbogen ging, erwachte Jamies Neugier, und er stand auf.
    »Wo gehst du denn jetzt schon wieder hin?« rief Jessie und vergaß ihre guten Vorsätze.
    Er gab keine Antwort und verließ den Tisch. In diesem Augenblick kam eine andere Magd aus der Küche, um ihm sein Essen zu bringen. Lächelnd wandte

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