Zorn und Zärtlichkeit
wildes Temperament, und Jamie treibt's manchmal besonders schlimm.«
»MacKinnion?!«
»Was ist denn los?«
Sie war leichen blass geworden. »Ihr seid ein - MacKinnion? Und Jamie - James MacKinnion - der Laird...«
»Warum regt Ihr Euch so auf?« rief Colen erschrocken. »Hatte ich vergessen, Euch das zu sagen?«
»Allerdings... Oh, es ist unglaublich!« Sie begann hysterisch zu lachen, und der arme Colen wusste nicht, was er von ihrem Benehmen halten sollte. Doch als sie zur Tür stürmte, sprang er ihr nach und packte sie am Arm. »Rührt mich nicht an!« kreischte sie.
Er gab ihr eine schallende Ohrfeige. Sekundenlang war sie wie betäubt, dann blitzten ihre Augen auf, und sie schlug zurück, genauso fest wie er.
Fassungslos hielt er sich die Wange. »Ihr habt Euch an mir vergriffen!«
Sheena hätte beinahe gelacht.
»Damit habt Ihr angefangen. Und so etwas lasse ich mir von niemandem bieten.«
»Aber - Ihr habt mich geschlagen!«
»Ja, und mit gutem Grund. Warum habt Ihr mich denn geschlagen?«
»Weil Ihr Euch so verrückt aufgeführt habt. Ich wollte Euch nur beruhigen.«
»Also gut, vielleicht habe ich die Beherrschung verloren«, sagte sie seufzend. Ihr Verstand begann wieder klarer zu arbeiten, die Panik ließ nach. »Trotzdem hättet Ihr Eure Hand nicht gegen mich erheben dürfen - wo Ihr doch doppelt so stark seid wie ich. Nun, das alles spielt keine Rolle. Ich kann nicht mehr hierbleiben.«
Zu ihrer Überraschung gab er klein bei. »Ihr habt recht, es war nicht richtig, dass ich Euch so lange gefangengehalten habe. Es tut mir leid. Heute abend werde ich die Sache regeln.«
»Warum nicht jetzt gleich?«
»Ich muss aufbrechen, um die Pferde zurückzuholen, die uns heute nacht gestohlen wurden.«
»Ihr plant einen Überfall? Heute?«
»Ja. Aber sobald ich zurückkomme, werde ich mit meinem Bruder sprechen.«
»Schwört Ihr mir das, Colen?«
Er nickte und wandte sich zum Gehen. An der Tür blieb er noch einmal stehen und rieb sich verstört die Wange. »Ich wurde noch nie von einem Mädchen geschlagen.«
»Dann war es höchste Zeit, weil Ihr nämlich ein sturer, brutaler Kerl seid!«
»Und Ihr seid ein verdammt mutiges Mädchen«, erwiderte Colen grinsend. »Eine MacKinnion würde niemals zurückschlagen, weil sie genau weiß, dass sie dann windelweich geprügelt wird.«
»Und darauf muss sich auch Eure Frau gefaßt machen?«
»Oh, Sheena, ich würde Euch niemals weh tun.«
»Natürlich nicht«, bestätigte sie sarkastisch. »Solange alles nach Eurem Willen geht...«
»Werdet Ihr mir noch diesen einen Tag Zeit geben, ohne Ärger zu machen?«
Sheena zögerte, aber nur, um Colen zu beruhigen. In den letzten Tagen hatte sie oft überlegt, ob sie Lärm schlagen sollte. Doch jetzt wusste sie nur zu gut, dass sie das nicht wagen durfte - nicht, wenn ein MacKinnion auftauchen könnte, um nach der Ursache des Geschreis in Colens Zimmer zu forschen. Womöglich sogar der Laird höchstselbst... »Ich warte nur noch diesen einen Tag ab«, antwortete sie schließlich. »Und keine Minute länger.«
Er lächelte erleichtert. »Wenn ich vor Einbruch der Dunkelheit nicht zurückkomme, wird Euch ein Mädchen was zu essen bringen. Und macht Euch keine Sorgen.«
Mit diesen Worten verließ er das Zimmer. Der Riegel wurde vorgeschoben, und dann fand sie endlich Zeit und Muss e, um im vollen Ausmaß zu erfassen, was sie an diesem Morgen erfahren hatte. Sechs Tage hatte sie in der Mitte des MacKinnion-Clans verbracht. Die schlimmsten Feinde ihrer Familie trieben sich da draußen vor der Tür herum - im Nebenraum - im ganzen Schloss ... Und auch der Laird, der niederträchtige Laird von MacKinnion ging hier aus und ein... Sie setzte sich auf das Bett, überwältigt von dieser Erkenntnis. Was sie hier erlebte, musste ein Alptraum sein.
12.
Der Laird war in die Halle zurückgekehrt, nachdem er mit dem Türhüter gesprochen und gehört hatte, dass sich sein Bruder noch immer nicht blicken ließ. Über den Jungen und die anderen Männer machte er sich keine Gedanken - nur über den Erfolg des Überfalls. Einer seiner besten Hengste war gestohlen worden, und den wollte er wiederhaben. Er hätte den Trupp selber anführen sollen, das wusste er, aber Colen war die ganze Woche so rastlos gewesen, und er hatte ihm eine Abwechslung gönnen wollen.
An diesem Abend wurden keine Gäste erwartet. Nur die Schloss bewohner saßen an einem der langen Tische. Dienstboten eilten umher, füllten die Schneidebretter
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