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Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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um ihr wieder gegenüberzutreten, und es verstrichen tatsächlich mehrere Tage, bis sie ihn wiedersah. Sie saß allein in ihrem Gefängnis, und ihre Verzweiflung wuchs.
    Alles wäre besser als dieses Elend, sagte sie sich, sogar Jamies Annäherungsversuche...
    Wann hatte sie begonnen, ihn in Gedanken >Jamie< zu nennen? Sie wusste es nicht - sie wusste nur, dass sie immer wieder an ihn dachte und sich an jedes Wort erinnerte, das sie miteinander gesprochen hatten, an jeden gemeinsamen Augenblick, seine Berührungen, den Zauber, den er ausstrahlte.
    Wie verrückt... Sie hatte geglaubt, sie wäre ihm entkommen. Und nun drängte er sich andauernd in ihre Gedanken ...
    »Ich ertrage das nicht«, flüsterte sie. »Sein Bild verfolgt mich nur, weil ich diese vier leeren Wände anstarren muss und niemanden habe, mit dem ich reden kann. Kein Feuer, schlechtes Essen, das mir eine schweigsame Dienstmagd bringt... Noch ein Tag in diesem elenden Loch, und ich verliere den Verstand!«
    Rastlos ging William Jameson vor seinem Kamin in der kleinen Halle auf und ab, dem einzigen Raum im Turm, der geheizt wurde. Es war schon spät, und er hatte bereits geschlafen. Doch man hatte ihn geweckt, um ihm beunruhigende Neuigkeiten mitzuteilen. Ein Reiter war vorausgeschickt worden, um William auf James MacKinnions unmittelbar bevorstehende Ankunft vorzubereiten.
    Was hatte den Laird bisher ferngehalten? William hatte ihn viel früher erwartet. Über eine Woche war vergangen, seit er das Mädchen hierhergebracht hatte. Er war bereits zu der Überzeugung gelangt, Sheena hätte gelogen und James MacKinnion wäre gar nicht an ihr interessiert. Aber warum immer er gezögert hatte - nun würde er bald hier sein. Der Augenblick, den Jameson gefürchtet hatte, war gekommen. Er musste sich beherrschen, durfte nicht zeigen, welche Freude es ihm machte, diesem blonden Bastard die Daumenschrauben anzusetzen.
    Stiefel dröhnten auf der Treppe, viele Stiefel, dann erschien Jamie in der Tür am anderen Ende der schmalen Halle, begleitet von sechs Gefolgsleuten. Er bedeutete ihnen, draußen zu warten, und durchquerte den Raum allein, in seinen Tartan gehüllt, der ihn fast doppelt so groß und breit wirken ließ, wie es der Wirklichkeit entsprach. Als er aus dem Schatten trat, bot er einen furchteinflößenden Anblick. Unter dem Tartan ragte ein grünes Wams hervor, doch er trug keine Strümpfe, die ihn vor der Kälte geschützt hätten. Die Knie zwischen dem Kilt und den hohen Stiefeln waren nackt. An seiner Seite hing ein Schwert. William Jameson prägte sich alle diese Einzelheiten ein, als dürfte er sie bis an sein Lebensende nicht vergessen.
    Doch es war vor allem Jamies Gesicht, das ihm den Atem raubte - die umschatteten, von Erschöpfung gezeichneten Lider, die fest zusammengepreßten Lippen, die vom Wind geröteten Wangen. Und die Augen, die den Feuerschein widerspiegelten, schimmerten grünlich. Jameson begann zu zittern.
    »Ich habe zwei Tage nicht geschlafen, Jameson«, sagte der Laird von MacKinnion. »Ich bin todmüde, denn ich habe zwei vergebliche Reisen nach Aberdeen hinter mir. Vielleicht würdet Ihr mir verraten, welcher Teufel Euch geritten hat! Wie konntet Ihr es wagen, das Mädchen hier festzuhalten?«
    William lächelte gezwungen und zuckte mit den Schultern. »Sie wollte bei mir bleiben.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Natürlich könnt Ihr sie wiederhaben«, versicherte William hastig. »Ich bin sogar froh, wenn ich sie loswerde, denn ich muss gestehen, dass sie mich bereits langweilt.«
    »Sie langweilt Euch?« Jamie strich sich das Haar aus der Stirn. O Gott, wenn er bloß nicht so müde wäre... »Das müßt Ihr mir näher erklären.«
    »Was gibt es da zu erklären, mein Freund? Normalerweise ist eine Hure so gut wie die andere, aber diese da sieht nur hübsch aus und hat sonst nichts zu bieten. Ich war überrascht, denn ich dachte, ein Mann von Eurem Temperament würde etwas - lebhaftere Mädchen bevorzugen, so wie ich...«
    Jamie hob blitzschnell die Hand, packte Jameson am Tartan und zog ihn heran, so dass sich ihre Gesichter fast berührten. »Soll das heißen, dass Ihr mit Sheena geschlafen habt?«
    »Ich müßte ein Narr sein, wenn ich das zugäbe - wo Ihr doch drauf und dran seid, mich zu verprügeln.«
    »Sagt es mir! Oder ich bringe Euch um!«
    William versuchte erfolglos, sich von Jamies hartem Griff zu befreien. Sein Selbstvertrauen schwand rasch dahin. Trotzdem be Schloss er, die Nerven zu behalten, denn sonst war er

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