Zorn und Zärtlichkeit
kannte.«
»Nun ja - es gibt in der Tat manche Frauen, die einem Mann den Kopf verdrehen können«, bemerkte Jamie, dem das Lachen sofort wieder vergangen war.
»Keine ist so schön wie sie«, seufzte Alasdair wehmütig.
»So? Findest du sie so schön?« fragte Jamie grinsend. Alasdair glaubte natürlich, dass er wusste , wie das Mädchen aussah.
»Du machst Witze, Jamie!« rief der ältere Mann fassungslos. »Zeig mir doch eine andere, die so herrliches dunkelrotes Haar hat, so kristallklare blaue Augen, eine so makellose weiße Haut! Man nennt sie das Juwel von Tower Esk, und das mit gutem Grund.«
Jamies Magen krampfte sich zusammen. Diese Beschreibung spiegelte das Bild wider, das er unablässig in seinem Herzen trug. Zwei Mädchen konnten sich doch nicht so ähnlich sehen, oder? Das war einfach unmöglich...
»Ich nehme an, ihr Name ist genauso schön?« fragte er.
Alasdair biß sich auf die Lippen. »Warum quälst du mich, Jamie? Siehst du nicht, wie ich leide - nachdem ich diese Frau verloren habe?«
»Natürlich, verzeih mir, Alasdair. Aber ich habe dir ja gesagt, dass ich nicht in der allerbesten Stimmung bin. So geht es mir schon seit dem Tag, wo ich Sheena begegnet bin. Vielleicht hat sie mich genauso verzaubert wie dich...« Jamie wartete atemlos. Würde Alasdair nun erklären: >Das Mädchen, das ich meine, heißt nicht Sheena
Der Laird von MacDonough grinste, womit er Jamies Vermutung bestätigte. »Dann ist dein Dilemma noch schlimmer als meines. Dass du ausgerechnet die Tochter deines Feindes begehren muss t! Auch wenn der Alte sie dir geben wollte, um die Fehde zu beenden - sie hätte eine ganze Menge dagegen einzuwenden. Sheena ist furchtbar eigensinnig und will sich ihren Mann selber aussuchen. Könnte ich auf ihre Liebe hoffen, würde ich sofort nach Aberdeen reiten und wieder um sie werben. Aber sie war mir niemals zugetan. Ihr Vater hat die Verlobung in die Wege geleitet. Du kannst dir denken, warum seine Wahl auf mich gefallen ist...«
Jamie setzte sich und Schloss die Augen. Er hörte seinem Gast nicht mehr zu. Eine Flut von Erinnerungen bedrängte ihn. Sheena in jenem Teich auf Dugald Fergussons Land, wo er sie zum erstenmal gesehen hatte... Nialls Haar, das dem ihren glich... Die leuchtend blauen Augen, die sie von ihrem Vater geerbt hatte... Die Frage des Jungen, was Jamie wohl mit dem Mädchen in dem bewaldeten Tal gemacht hätte, sein Zorn über die Antwort... Sheenas Anklage gegen die MacKinnions, ihre Angst, ihr Mißtrauen, ihr verzweifelter Wunsch zu fliehen... Und schließlich die Tatsache, dass in Aberdeen keine >Erminia MacEwen< wohnte... Er hätte sein Leben darauf verwettet, dass es dort eine Erminia Fergusson gab.
Jamie schüttelte den Kopf. Er hätte schon vor langer Zeit zwei und zwei zusammenzählen sollen, doch das war ihm niemals in den Sinn gekommen. Vielleicht hatte er es - im Hintergrund seines Bewußtseins - absichtlich vermieden, die logischen Schlüsse zu ziehen, weil er nicht wollte, dass Sheena eine Fergusson war. Nun erkannte er, dass das keine Rolle spielte und nichts an seinen Gefühlen ändern würde.
»Hörst du nicht, Jamie?«
Er schlug die Augen auf und sah Alasdair an. »Was?«
»Ich sagte, der alte Dugald hätte dich wahrscheinlich sehr gern als Schwiegersohn - falls du solche Absichten hegst.«
»Er hat mir seine Lieblingstochter bereits verweigert«, antwortete Jamie geistesabwesend.
»Du hast um ihre Hand angehalten?«
»Er wollte mich nur unter der Bedingung aus der Gefangenschaft entlassen, dass ich eine seiner Töchter heirate«, erklärte Jamie. »Ich hatte die Wahl zwischen dreien - nur Sheena wurde mir nicht angeboten.«
Alasdair lachte verächtlich. »Die anderen können sich nicht mit ihr messen.«
»Das dachte ich mir.«
»Nun, aus dieser Klemme wurdest du befreit - von Sheena selbst. Ich verstehe noch immer nicht, warum sie dir geholfen hat.«
Jamies Gedanken überschlugen sich. Er wollte Niall keinesfalls verraten. »Weil sie Angst vor mir hatte. Sie glaubte, ihr Vater würde sie mit mir vermählen.«
»Du wusste st doch, dass das nicht stimmte.«
Jamie nickte. »Mir war jedes Mittel recht, um aus Fergussons Verlies zu entkommen, und es tut mir auch nicht leid. Eine kleine Notlüge erschien mir immer noch besser, als gezwungenermaßen ein Mädchen zu heiraten, das sich ganz schrecklich vor mir fürchtet. Du kennst meinen Ruf, Alasdair.«
»Das mag sein, aber - letzten Endes ist Sheena die Verliererin. Sie wurde
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