Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
verstehe ich!« Zorn hob theatralisch die Hände. »Du denkst, ich hätte dich herholen lassen, weil du mir vorgestern eine reingehauen hast? Nee, Dicker, du bist Beschuldigter in einer Einbruchserie und in einem Mordfall.« Das letzte Wort betonte Zorn besonders. »Was die Sache vor dem Supermarkt betrifft, bin ich noch unsicher.« Er kratzte sich am Hinterkopf und tat, als müsse er nachdenken. »Was meinst du, soll ich machen? Das war tätlicher Angriff auf einen Polizisten, dafür wanderst du locker ein paar Monate ein. Andererseits ist das ein Witz, wenn man bedenkt, dass ich dich ja wegen Mordes drankriegen werde. Da fällt das nicht so ins Gewicht.«
Zorn stand auf, ging um den Tisch herum und trat dicht an Kempff heran. Beugte sich vor, bis seine Lippen nur noch Zentimeter von dessen Ohr entfernt waren. »Was unser kleines Treffen vor dem Supermarkt angeht: Vielleicht sollten wir das ja unter uns klären, was denkst du?«
Kempffs Fäuste ballten sich auf dem Tisch. Ein dünner Schweißfilm hatte sich auf seinen Oberarmen gebildet. Sie hatten ungefähr den Umfang von Claudius Zorns Oberschenkeln.
»Eins würde ich gern wissen«, fuhr Zorn leise fort. »Wo liegt eigentlich deine Grenze? Schlägst du auch Kinder? Frauen? Oder alte Männer, wenn dir mal besonders langweilig ist?« Er ging zurück und setzte sich wieder. »Es interessiert mich wirklich, wie du so tickst. Ich habe selten Gelegenheit, mich mit einem waschechten Mörder zu unterhalten.«
»Ich habe niemanden nich umgebracht«, knurrte Kempff.
»Das war eine doppelte Verneinung«, lachte Zorn. »Ist dir klar, was du da eben gesagt hast?«
»Was?«
»Das war ein Geständnis, du Kuckuck.«
*
»Wer war noch dabei?«, fragte Schröder.
»Dazu möchte ich wirklich nichts sagen.«
»Sie wollen niemanden beschuldigen, das verstehe ich.« Es quietschte auf dem Linoleum, als Schröder seinen Stuhl ein wenig zurückschob. »Ich sehe das so: Sie sind in die Lauben eingebrochen, weil Sie ein bisschen Party machen wollten. Es ist ja auch kaum Schaden entstanden, aufgebrochene Schlösser, ein paar zertrampelte Beete, der ein oder andere zerbrochene Gartenzwerg, und wenn ich das richtig sehe«, Schröder blätterte in der Akte, »ist außer zwei DVD-Playern und einem Fotoapparat nichts entwendet worden. Was denken Sie, wo wir die finden werden? Im Keller von Udo Kempff?«
Ein weiterer Schuss ins Blaue.
»Bitte, Herr Kommissar. Ich möchte wirklich nichts dazu sagen.«
Volltreffer.
»Nun gut.« Schröder entnahm der Akte ein Foto mit einer Gruppe Teenager. Sie hatten sich umarmt, hielten Bierflaschen in den Händen und lachten in die Kamera. »Auf diesem Bild sind fünf Personen. Sie, Udo Kempff, Björn Grooth und zwei weitere, ein Junge und ein Mädchen.« Er schob das Foto über den Tisch und tippte mit seinem kurzen Finger darauf. »Können Sie mir ihre Namen sagen?«
Max Brandt zögerte.
»Keine Angst, damit belasten Sie niemanden, Herr Brandt.«
»Sie heißen Martha und Eric Haubold.«
»Danke. Das wussten wir bereits, aber jetzt ist wenigstens klar, dass Sie die Wahrheit sagen. Die beiden sind Geschwister, richtig?«
»Ja. Wir hängen oft zusammen ab.«
»In Gartenlauben?«
Keine Antwort.
Schröder wartete einen Moment. »Können Sie mir sagen, wo sich die beiden im Moment aufhalten?«
Max strich sich das blonde Haar aus der Stirn. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein.«
Schröder steckte das Foto zurück in die Akte. Zögerte, holte es wieder heraus und betrachtete es noch einmal. »Wer hat das Bild eigentlich aufgenommen?«
»Pastor Giese.«
»Ein Priester?«
»Wir sind oft bei ihm. Er ist …«, Max suchte einen Moment nach dem richtigen Wort, »ein netter Kerl. Er hat sich immer um uns gekümmert.«
»Eins verstehe ich nicht.« Schröder lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Lehne gab ein gequältes Knacken von sich. »Sie sind klug, wenn ich das richtig sehe. Sie haben Abitur, und Sie wollen studieren, richtig?«
»Psychologie. Im Herbst fange ich an.«
»Wieso gibt sich jemand wie Sie mit einem Typen wie Udo Kempff ab? Wir haben eine ordentliche Akte über ihn: Schlägereien, kleine Einbrüche und so weiter. Er hat seine Lehre abgebrochen und ist seit einem halben Jahr arbeitslos. Björn Grooth stammte, wie man so schön sagt, aus gutem Hause, Sie werden Psychologe und ich wette, dass die anderen beiden, Martha und Eric Haubold, ebenso wenig zu Udo Kempff passen wie Sie.«
»Wir kennen uns seit dem Kindergarten. Udo
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