Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
geschlafen?«
Zorn trat ein, der Junge saß mit dem Rücken zur Tür an einem kleinen Tisch. Er drehte sich nicht um, sein breiter Rücken ragte über die Stuhllehne hinaus. »Ihr könnt mich mal, ihr blöden Penner. Ich sag hier überhaupt nix.«
»Origineller Spruch. Wo hast du den gehört? Auf Super RTL?« Zorn nahm ihm gegenüber Platz. Er hatte eine dünne Akte bei sich, sie landete mit einem leisen Klatschen auf dem Tisch.
Der Junge sah auf und erkannte Zorn. Sein Unterkiefer sackte herab, das Blut schoss ihm in den Kopf, sein Blick flackerte unstet durchs Zimmer. Schließlich beugte er sich vor und sah auf seine Hände, die er vor sich auf den Tisch legte.
Zorn tat, als würde er es nicht bemerken, sondern hantierte mit einem altertümlichen Aufnahmegerät, das zwischen ihnen auf dem Tisch stand. Es funktionierte nicht, er hatte es aufstellen lassen, um der Vernehmung eine härtere Note zu verleihen. Er hatte lange überlegt, wie er die Befragung durchführen würde, und dann beschlossen, sofort aus allen Rohren zu schießen.
»Heute ist Samstag, der 4. August«, sagte er in offiziellem Ton und drückte auf den Aufnahmeknopf. »Es ist jetzt«, ein kurzer Blick auf die Uhr, »10 Uhr 30, anwesend sind Hauptkommissar Claudius Zorn und«, er schlug die erste Seite der Akte auf, »Udo Kempff, geboren am 1. Mai 1994, wohnhaft Südstadtring 22. Möchten Sie etwas trinken, Herr Kempff? Einen Kaffee?«
Udo Kempff schien nachzudenken, dann nickte er stumm.
»Der Befragte schüttelt den Kopf«, sprach Zorn in das imaginäre Mikro.
»Arschloch«, murmelte der Befragte.
Zorn lächelte ihm zu.
*
Ein paar Meter weiter saß Schröder mit dem anderen Jungen in einem ähnlichen Raum. Auch er hatte eine dünne Akte vor sich liegen, auf das Aufnahmegerät allerdings hatte er verzichtet.
»Sie heißen Max Brandt, sind 19 Jahre alt und wohnen in der Straße der Befreiung Nummer 9, ist das richtig?«
Max Brandt nickte. Er hatte weiche, fast feminine Gesichtszüge. Seine Haut war blass, im grellen Licht der Neonlampen schien der Junge fast durchsichtig zu sein.
»Es gibt zwei Gründe, weswegen wir Sie hergebeten haben«, begann Schröder. »Das eine sind die Einbrüche in der Gartenanlage, das andere ist der Mord an Björn Grooth. Fangen wir mit den Einbrüchen an. Haben Sie dazu etwas zu sagen?«
»Ich weiß nicht.« Max Brandt sprach leise, fast flüsternd. Seine Stimme war hoch, sie kratzte ein wenig, als wäre er vor kurzem erst in den Stimmbruch gekommen. Er nahm einen Stift vom Tisch und drehte ihn in den Händen. Seine Finger waren schlank, feingliedrig, die Nägel kurz geschnitten.
»Was wissen Sie nicht, Herr Brandt?«
Max blickte auf. Seine Augen waren von einem intensiven, durchdringenden Blau. Die Wimpern waren lang, es schien, als würden sie Schatten unter seine Augen werfen.
»Dürfen Sie uns überhaupt hier festhalten, Herr Kommissar?«
»Ja, das dürfen wir. Sie sind volljährig. Es gibt schwerwiegende Verdachtsmomente. Wir haben Fingerabdrücke. Sowohl Ihre als auch die von Björn Grooth und Udo Kempff. Was sagen Sie dazu?«
»Ich würde gern mit einem Anwalt reden.«
»Natürlich. Das wird allerdings leider erst am Montag möglich sein, bis dahin müssten wir Sie hierbehalten.«
Das war eine Lüge, aber sie funktionierte. Der Junge rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
Schröder beugte sich über den Tisch. »Es ist sinnlos, die Einbrüche zu leugnen, Herr Brandt. Die Fakten sind eindeutig, und wir werden noch weitere Spuren finden. Hab ich recht?«
Keine Antwort.
»Hab ich recht?«, wiederholte Schröder.
Eine Weile war es still. Nur die Klimaanlage rauschte leise.
Max Brandt sah auf. Dann nickte er.
*
Zorn räusperte sich, näherte sich dem Mikrofon und tat, als würde er weiter auf Band sprechen. »Thema der Vernehmung ist die Beteiligung des anwesenden Verdächtigen Kempff, Udo, an der Einbruchserie in der Kleingartensparte am Nordbad, belegt durch das Auffinden diverser Fingerabdrücke, sowie dessen Beteiligung, respektive Verwicklung in die Ermordung von Grooth, Björn, vom 2. August dieses Jahres.«
Auf diesen Satz war Zorn besonders stolz, er hatte lange gebraucht, um ihn sich auszudenken.
Wenn es denn möglich war, klappte die Kinnlade von Udo Kempff noch weiter herunter als beim ersten Mal.
Zorn drückte auf den Ausschaltknopf.
»Stimmt was nicht?«, fragte er heiter.
Kempff starrte Zorn mit weit aufgerissenen Augen an. Aber er schwieg.
»Ach, jetzt
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