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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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»Niemand verarscht uns.«
    »Niemand, Chef.«
    »Auch Czernyk nicht.«
    Die Putzfrau sah sich prüfend um, dann schaltete sie das Licht aus und verließ den Raum. Das Verhörzimmer hinter der Scheibe war dunkel, die Spiegelbilder der beiden Hauptkommissare deutlich zu erkennen. Schröders Glatze glänzte im Neonlicht, als habe er eine löchrige, fleischfarbene Badekappe aufgesetzt, durch deren Ritzen die Flusen eines rostfarbenen, mottenzerfressenen Teppichs ragten. Zorn, unrasiert und ungekämmt, sah aus wie ein zerzauster Windhund.
    Er lachte auf.
    »Was ist?«, fragte Schröder.
    »Wir sehen aus wie Dick und Doof.«
    »Findest du?«
    Sie betrachteten sich im Spiegel. Ein langer, dünner Kerl mit hängenden Schultern, daneben ein dicklicher Clown, dessen Brustkorb gerade so über die Unterkante des Spiegels ragte.
    »Fragt sich nur, wer von uns beiden der Doofe ist«, sagte Zorn.
    »Das liegt wohl auf der Hand.« Schröder streckte den Rücken, das karierte Hemd spannte sich wie das Umstandskleid einer Hochschwangeren. »Oder?«
    Zorn seufzte.
    »Wir sollten besser das Thema wechseln.«
    »Du hast damit angefangen, Chef.«
    »Jetzt hör ich wieder auf. Lass uns über was anderes reden.«
    »Czernyk.«
    »Dazu hab ich keine Lust mehr.«
    »Ich auch nicht«, sagte Schröder. »Aber wir haben keine Wahl.«
    *
    Es sollte genau siebenundvierzig Minuten dauern, bis Jan Czernyk seine Verfolger abgeschüttelt hatte. Man hätte meinen können, dass ein Mann mit eingeschränktem Gesichtsfeld und auffälligen asiatischen Gesichtszügen in einer mitteldeutschen Stadt nicht so einfach verschwinden könnte, aber Czernyk wusste, wie seine Beschatter arbeiteten. Gemächlich schlenderte er durch die Stadt, schließlich betrat er das Kaufhaus am Markt. Als er es eine halbe Stunde später über die Lieferantenzufahrt verließ, saß er in einem weißen Kleintransporter, trug eine Schirmmütze und den blauen Arbeitsanzug einer Reinigungsfirma.
    Der Mann, dem dieser Overall gehörte, sollte wenig später betäubt auf der Herrentoilette gefunden werden.
    Jan Czernyk allerdings war verschwunden.

Vierundzwanzig
    Sie waren sicher, alles richtig gemacht zu haben.
    Punkt elf Uhr hielten drei Mannschaftswagen vor de Koops Villa. Fünfzehn Uniformierte in schwarzen Schutzanzügen sprangen heraus, die Wagen fuhren an und waren im nächsten Moment um die Ecke verschwunden, ebenso wie die Beamten des Sondereinsatzkommandos, die sich sofort in den Büschen verteilt hatten.
    Eine Minute später war es in der schmalen Gasse so ruhig wie zuvor.
    Auf der Uferpromenade näherte sich ein schwarzer Volvo und parkte zwischen den Bäumen unterhalb der Villa. Zorn und Schröder stiegen aus, die Türen schlossen sich mit einem leisen Knall.
    »Er wird warten, bis es dunkel ist«, sagte Schröder.
    »Das glaube ich nicht.« Zorn verschränkte die Arme vor der Brust und sah hinauf zur Villa. »Czernyk hat selbst gesagt, dass ihm nur noch wenig Zeit bleibt. Er will de Koop bestrafen. Egal, was er vorhat, er muss hier auftauchen. Und das wird bald sein.« Er kramte seine Zigaretten hervor. »Das Einsatzkommando kennt das Gelände?«
    »Niemand nähert sich unbemerkt dem Haus, auch Czernyk nicht.«
    Über ihnen knackte es im Gebüsch, Steine rollten den Abhang hinab. Eine plumpe Gestalt mit schwarzem Schutzhelm verschwand leichtfüßig hinter dem Stamm einer Kastanie.
    »Wir warten drinnen«, entschied Zorn. Die Zigarette hing ihm im Mundwinkel und wippte beim Sprechen auf und ab. »Hier draußen ist es ganz schön ungemütlich, und de Koop macht prima Kaffee.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, lief er los.
    Schröder überlegte kurz. Dann folgte er Zorn.
    *
    Etwas weiter nördlich, höchstens zwei Kilometer entfernt, teilte sich der Fluss. Nach rechts zweigte ein künstlicher Schleusenkanal ab, einen knappen Kilometer weiter verband er sich wieder mit dem Hauptstrom. Die so entstandene flache Insel war nur über eine schmale Betonbrücke zugänglich und mit dichtem Auenwald bewachsen.
    Der Mann, der sich der Brücke von der Uferpromenade her näherte, lief mit leichten, federnden Schritten über den Parkplatz. Er trug ein Shirt aus schwarzem Polyester, dazu eine enge, elastische Laufhose.
    Die Brücke vibrierte unter seinem Gewicht, er erreichte das andere Ende und lief geradeaus in den Wald. Ein Trampelpfad führte im Kreis am Ufer entlang, hundertjährige Eichen und mit Efeu bewachsene Eschen säumten den Weg. Links lag das Wehr, der Fluss schoss in

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