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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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gelüftet worden, zwei schmutzige Kaffeetassen und ein Teller mit einem halben Brötchen standen auf dem Couchtisch. Daneben lag ein angebissener Apfel, die Ränder waren bereits braun. Der zweite Sessel war mit einem Haufen schmutziger Wäsche bedeckt, auf dem Sofa lag eine zusammengeknüllte Bettdecke. Zorn schob sie beiseite und setzte sich auf die Kante.
    »Ich störe Sie ungern«, begann er unbeholfen.
    »Das wär mir neu.«
    Sie klang müde, das Kissen hatte deutliche Abdrücke auf ihrer Wange hinterlassen.
    »Was ich Ihnen jetzt sage, wird Ihnen nicht gefallen«, fuhr Zorn nicht weniger unbeholfen fort.
    »Auch das wäre neu.«
    »Was?«
    »Dass mir etwas an Ihnen gefallen würde.«
    Sie kann mich nicht leiden, dachte Zorn, na und? Es gibt genug andere, die mich für ein Arschloch halten. Vielleicht bin ich das ja auch. Ich an ihrer Stelle würde genauso reagieren.
    »Okay.« Er nickte langsam. »Ich weiß, was Ihnen Jan Czernyk bedeutet, aber wir müssen …«
    »Einen Scheiß wissen Sie!« Frieda Borck schlug auf die Sessellehne. »Sagen Sie mir endlich, was Sie zu sagen haben, und hauen Sie gefälligst wieder ab!«
    Er sah sie schweigend an.
    Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. Ihre Finger flatterten.
    »Tut mir leid.«
    »Es ist okay.«
    »Nichts ist okay. Haben Sie eine Zigarette?«
    Er reichte ihr seine Schachtel.
    »Seit wann rauchen Sie?«
    »Seit eben.«
    Zorn hielt ihr sein Feuerzeug entgegen. Sie beugte sich vor, der Bademantel öffnete sich. Er sah ihre Brüste, klein und fest. Dazwischen ein kleiner Leberfleck. Es interessierte ihn nicht, im Moment jedenfalls.
    »Danke.«
    Sie paffte den Rauch wieder aus.
    »Besser?«
    »Nee.«
    Er stand auf und öffnete die Balkontür.
    »Lassen Sie die zu.«
    Fröstelnd hob sie ein Kissen vom Boden auf und hielt es sich vor die Brust. Zorn setzte sich wieder auf das Sofa.
    »Wann haben Sie zuletzt mit ihm gesprochen?«, fragte er.
    »Heute Morgen. Er hat angerufen, von einer Telefonzelle.«
    »Was wollte er?«
    »Reden.«
    »Worüber?«
    Sie nahm einen weiteren Zug, hielt die Zigarette seltsam affektiert und ungelenk zugleich zwischen den Fingern.
    »Jan sagte, dass er noch etwas zu erledigen habe. Es geht um Gerechtigkeit.«
    »Gerechtigkeit?«
    »Ich habe keine Ahnung, was er damit meinte.«
    Ich schon, dachte Zorn.
    »Er war heute Morgen bei mir im Präsidium«, sagte er.
    »Was?«
    »Wir konnten ihn nicht festhalten. Das hat er gewusst, wahrscheinlich wollte er mir genau das zeigen. Wir denken, dass er hinter Elias de Koop her ist. Das ist es, was er mit Gerechtigkeit meint. Er glaubt, dass de Koop zu Unrecht freigesprochen wurde. Alle haben in seinen Augen versagt, die Polizei, die Justiz. Jetzt will er die Sache selbst in die Hand nehmen.« Zorn senkte die Stimme. »Jan Czernyk hat Menschen getötet, Frau Borck.«
    »Das hat er nicht.«
    »Einen davon hat er mir an den Schreibtisch gesetzt.«
    Ein Zischen, sie drückte die Zigarette in den angebissenen Apfel. Sah eine Weile auf ihre Hände und dachte nach.
    »Meine Keycard ist verschwunden«, sagte sie leise.
    »Seit wann?«
    »Keine Ahnung. Seit ein paar Tagen vielleicht.«
    »Dann wissen wir jetzt, wie er ins Präsidium gelangt ist.« Zorn suchte nach den richtigen Worten, das, was er als Nächstes sagen würde, kam ihm albern und abgedroschen vor. »Wenn Sie irgendetwas wissen, müssen Sie mir das erzählen. Sie dürfen ihn nicht decken. Czernyk ist gefährlich, wir müssen ihn stoppen.«
    Sie lachte auf. Es klang wie das Bellen eines Straßenköters.
    »Was ist mit Ihnen los? Entwickeln Sie jetzt so was wie Ehrgeiz?«
    »Das hoffe ich nicht.« Er nickte in Richtung Fenster. »Sehen Sie sich an, was der Ehrgeiz aus den Menschen da draußen macht. Egoistische Drecksäcke, die nichts anderes im Kopf haben als die nächst höhere Gehaltsstufe. Sie kriegen nie genug, der Neid frisst sie auf. Ich habe mich da immer rausgehalten. Nicht etwa, weil ich ein guter Mensch bin. Es ist mir einfach zu anstrengend, ich bin zu faul dazu.« Er überlegte, ob er sich eine Zigarette anzünden sollte, ließ es aber sein. »Es hat jedenfalls nichts mit Ehrgeiz zu tun. Ich will einfach verhindern, dass Schlimmeres passiert.«
    Auch das klang abgedroschen. Und albern.
    »Jan ist kein Mörder«, murmelte die Staatsanwältin.
    »Wir müssen uns damit abfinden. Ich mag … nein«, verbesserte sich Zorn, »ich mochte ihn auch, und ich hätte ihm das alles nie zugetraut.«
    Sein Handy klingelte.
    »Es gibt Neuigkeiten«,

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