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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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schmutzigen, schäumenden Wellen dahin, das Brausen des Wassers übertönte das rhythmische Stampfen der Laufschuhe auf dem weichen Sandboden.
    Der Jogger setzte zu einem Sprint an. Leichtfüßig übersprang er den Stamm einer quer über dem Weg liegenden Pappel, dahinter wurde der Weg schmaler. Er beschleunigte weiter, zwängte sich durch brusthohe Brennnesseln, sein Atem ging schneller, der Pfad bog nach rechts ab, weiter vorn lichtete sich der Wald. Er winkelte die Arme an, rannte in vollem Tempo und erreichte die sandige Nordspitze.
    Ein paar hundert Meter weiter südlich näherte sich ein weißer Kleintransporter der Insel. Kies knirschte unter den Reifen, als der Lieferwagen direkt an der Brücke parkte.
    *
    Sie stiegen die steile Betontreppe empor, Zorn mit langen, ungeduldigen Schritten, zwei Stufen auf einmal nehmend, Schröder lief hinterher, den Blick auf den weitläufigen Garten gerichtet. Das Einsatzkommando war in Deckung gegangen, nichts deutete darauf hin, dass fünfzehn Augenpaare unverwandt auf das Haus gerichtet waren.
    »Dann wollen wir mal Guten Tag sagen.« Zorn drückte die Klingel. Er war ein wenig außer Atem, lehnte sich neben der Tür an die holzverkleidete Wand und nahm die Brille ab. Schröder beugte sich über die Brüstung und sah hinab. De Koops goldgelber Geländewagen parkte unten in der Einfahrt, die Mülltonnen standen ordentlich aufgereiht am Straßenrand.
    »Das gefällt mir nicht.« Schröder trat ein paar Schritte zurück und musterte die hohe Fassade. In den schmalen Fenstern spiegelten sich die Wolken.
    »Mir auch nicht. Was macht der Kerl allein in diesem riesigen Kasten?« Zorn zuckte die Achseln. »Irgendwas muss er ja mit seinem Geld machen.«
    »Offensichtlich. Aber ich meine etwas anderes.«
    Schröder klingelte, dann pochte er mit der flachen Hand gegen die Tür.
    Sie warteten schweigend.
    Nichts.
    »Der Typ ist nicht da«, knurrte Zorn. »Scheiße.«
    »Besser hätte ich’s nicht ausdrücken können, Chef.«
    *
    Elias de Koop lief die Strecke täglich, meist am späten Vormittag, die Insel lag nur wenige Minuten flussabwärts von seiner Villa entfernt.
    Die Wolkendecke war aufgerissen, er schloss die Augen und hielt das Gesicht in die Herbstsonne. Eine knappe Minute stand er so da, dann begann er mit ein paar Dehnübungen. Elias de Koop war fast fünfzig, doch sein Körper wirkte elastisch wie der eines Teenagers. Er schüttelte die Arme aus, schnaufte kurz durch, dann lief er wieder los.
    Der Rückweg führte am anderen Ufer der Insel entlang, locker trabte er auf der Kuppe eines grasbewachsenen Dammes. Links unter ihm floss der schlammige Kanal, dahinter, am anderen Ufer, erstreckte sich brachliegendes, wild überwuchertes Land. Niemand wusste bisher, dass de Koop diese Grundstücke schon vor Jahren über eine seiner Firmen gekauft hatte, irgendwann würden dort helle Designervillen entsehen, mit großen Gärten, geteerter Zufahrt und eigenem Bootssteg.
    Er passierte die rostigen Eisentore einer kaum benutzten Schleuse. Der Weg bog nach rechts ab, de Koop verschwand im Schatten der Bäume. Der Waldboden war mit abgestorbenen Ästen bedeckt, Efeu überwucherte den Pfad, modernde Baumstümpfe ragten aus dem Gras wie faulige Zähne. De Koop näherte sich jetzt wieder der Brücke, das Rauschen des Wehres wurde lauter, verstärkte sich zu einem Brüllen. Er stolperte über eine versteckte Wurzel und blieb stehen.
    Plötzlich wurde er herumgerissen, taumelte zwei Schritte rückwärts.
    Seine gesunde Hand griff nach der linken Schulter, staunend betrachtete er das Blut zwischen den Fingern, dann sank er auf die Knie. Ein Ast bohrte sich in seinen Unterschenkel, er spürte es nicht. Unterhalb des Schulterblatts bildete sich ein Fleck auf dem Laufshirt, ein dunkler Kreis, der schnell größer wurde.
    Ein Reiher flatterte auf.
    De Koop legte den Kopf in den Nacken und sah verwundert zu, wie der Vogel zwischen den Baumkronen verschwand. Dann begann er zu schielen, seine Augen wurden glasig, er sackte zur Seite, sein Kopf schlug auf den weichen Boden.
    Er hatte keinen Laut von sich gegeben, selbst wenn, es hätte niemand gehört. Auch der Knall des Schusses, ein kurzes, metallisches Rülpsen, war im Brüllen des Wehres untergegangen.
    *
    Fluchend stampfte Zorn vor der Villa auf und ab. Schröder stand ein wenig abseits, kaute auf der Unterlippe und überlegte. Sie waren sicher gewesen, alles richtig gemacht zu haben. Czernyk würde de Koop aufsuchen, das war völlig klar

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