Zorn - Wo kein Licht
gewesen. Falsch hatten sie damit nicht gelegen, doch eines hatten sie nicht bedacht: dass Elias de Koop nicht zu Hause sein könnte.
*
Er hatte nur für ein paar Sekunden die Besinnung verloren. Reglos lag er da, das feuchte Gras kitzelte an seiner Wange. Zwischen den Halmen erkannte er eine verschwommene Gestalt, Schritte näherten sich, stoppten direkt vor seinem Gesicht. De Koop sah die Hosenbeine eines Arbeitsoveralls, darunter teure Lederschuhe, mit Schlamm bedeckt, die Spitzen abgewetzt.
Er schloss die Augen in Erwartung eines Trittes. Stattdessen wurden ihm die Arme auf den Rücken gebogen, ein Reißen, Klebeband wand sich um seine Gelenke, zuerst an den Händen, dann an den Beinen. Dann wurde ihm schwindlig, er wurde emporgehoben wie eine Teppichrolle.
»Ein Wort«, sagte eine Stimme dicht an seinem Ohr, »und du bist tot.«
*
»Und jetzt?«
»Wir warten, Chef. Vielleicht kommt er noch.«
»Das glaubst du doch selbst nicht!« Noch immer lief Zorn hin und her, ruhelos, wie ein Tiger im Käfig. »Ich hab keinen Bock, den ganzen Tag hier rumzustehen wie die Kuh vorm Milchauto!«
»Dann«, sagte Schröder, »nenn mir bitte eine Alternative.«
Zorn deutete auf die Tür.
»Wir gehen da rein!«
»Wir haben keinen Durchsuchungsbeschluss.«
»Ich scheiß auf diesen Kack!«
»Wie poetisch.«
Zorn setzte zu einer weiteren Tirade an, doch Schröder unterbrach ihn: »Das Einsatzkommando bleibt vorerst in Deckung. In einer halben Stunde habe ich den Durchsuchungsbefehl, dann sehe ich mich in der Villa um.«
»Und ich? Ich grabe solange den Garten um, oder wie?«
»Darum kümmert sich de Koops Personal.« Schröder überlegte einen Moment, dann nickte er, als habe er einen Entschluss gefasst. »Du fährst zu Frieda Borck, redest mit ihr. Es könnte sein, dass er Kontakt mit ihr aufnimmt.«
Zorn zögerte. Das war einleuchtend, irgendwie.
»Okay. Du rufst mich an, wenn sich was ergibt.«
»Sehr wohl, Chef.«
Zorn lief die Treppen hinab.
»Sei nett zu ihr!«, rief Schröder ihm nach.
Zorn verfehlte eine Stufe, fast wäre er der Länge nach hingestürzt. Er klammerte sich an das polierte Eichengeländer. »Ich bin immer nett, verdammt!«
Dann hastete er weiter.
*
Die Seitentür des Lieferwagens wurde aufgeschoben. Ein Poltern, unsanft landete de Koop auf dem Bodenblech. Der Wagen schwankte, Jan Czernyk stieg ebenfalls ein und schloss die Tür. Er ging in die Hocke, seine Finger tasteten prüfend nach der Wunde an de Koops Schulter. De Koop sog die Luft ein.
»Nur ein Streifschuss«, murmelte Czernyk. »Gut so.«
De Koop schwieg.
»Du hattest Glück, ich hätte auch daneben schießen können«, sagte Czernyk. »Meine Augen werden schlechter. Ich wollte dich nicht töten. Noch nicht«, fügte er nach einer kleinen Pause hinzu. Er lehnte sich an die Bordwand, seine Hände baumelten zwischen den Knien. »Es hat schon aufgehört zu bluten. Ich hoffe trotzdem, dass es weh tut.«
Keine Antwort.
»Hast du was zu sagen?«
De Koops Augen waren unverwandt auf Czernyk gerichtet. Wenn er Schmerzen hatte, ließ er sich nichts anmerken.
»Du musst jetzt nicht reden. Dort, wohin ich dich bringe, wirst du sprechen.« Czernyk kramte in der Brusttasche des Overalls und hielt de Koop drei weiße Tabletten entgegen. »Iss. Du wirst ein wenig schlafen.«
De Koop presste die Lippen aufeinander.
»Nimm. Du weißt, dass ich andere Möglichkeiten habe.«
De Koop gehorchte.
Czernyk stand auf und öffnete die Tür. »Diesmal wird dir dein Geld nicht helfen.«
Die Tür schloss sich, wieder schwankte der Wagen, als Czernyk vorne einstieg.
Der Motor sprang an.
De Koop lag auf dem Rücken und starrte an die Decke.
Sein Gesicht verzog sich, er öffnete den Mund, seine Lippen bebten, als müsse er gegen aufkommende Tränen ankämpfen.
Mit Sicherheit allerdings ließ sich das nicht sagen.
Vielleicht lächelte er auch.
Fünfundzwanzig
»Sie?«
»Ich muss Sie sprechen, dringend.«
Frieda Borck musterte Zorn von Kopf bis Fuß. Obwohl es kurz vor Mittag war, trug sie einen weißen Bademantel. Sie schien geschlafen zu haben, ihre Augen waren verquollen, das Haar zerzaust.
»Machen Sie die Tür hinter sich zu.«
Sie ging voraus, ihre nackten Füße klatschten auf den Dielen. Im Wohnzimmer warf sie sich in einen Sessel, zog die Beine an und wickelte den Bademantel eng um den Körper.
»Erwarten Sie nicht, dass ich Ihnen etwas anbiete.«
»Das wird nicht nötig sein.«
Das Zimmer war seit Tagen weder aufgeräumt noch
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