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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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gut genug. Sie schaffen es ja nicht mal, mir etwas nachzuweisen.«
    Wieder trafen sich ihre Blicke.
    »Das werde ich«, presste Zorn hervor. »Verlassen Sie sich drauf.«
    Czernyk schüttelte lächelnd den Kopf. Ein trauriges, resigniertes Lächeln.
    »Polizeiarbeit«, sagte er in lockerem Plauderton, »besteht im Zusammentragen von Fakten, Beweisen, stichhaltigen Belegen. Man kann eine Weile mit Vermutungen hantieren, aber irgendwann reicht das nicht mehr. Was mich betrifft, könnten Ihre Spekulationen durchaus wahr sein. Könnten. Momentan sind es Mutmaßungen, mehr nicht.«
    »Warten wir’s ab.«
    Zorn nahm wieder Platz. Czernyk malte weiter auf dem Tisch.
    Die Tür wurde geöffnet, Schröder erschien und nickte Zorn zu.
    »Kommst du?«
    Zorn stand auf. Sein Stuhl kippte um, er ließ ihn liegen.
    »Sie entschuldigen mich einen Moment.«
    »Natürlich«, erwiderte Czernyk, ohne aufzublicken. »Schön, Sie zu sehen, Kollege Schröder.«
    Lautlos fiel die Tür ins Schloss.
    Czernyk betrachtete das Bild auf der Tischplatte.
    Ein Kreis, ein trauriges Gesicht, umgeben von einem Strahlenkranz.
    Die weinende Sonne.
    Er wischte es mit dem Ärmel weg.
    *
    »Ich knack den Typen nicht, Schröder.«
    Sie standen im Kontrollraum, beide hatten die Arme vor der Brust verschränkt. Neben dem verspiegelten Fenster war ein Monitor an der Wand befestigt, das Aufnahmegerät lief, die Festplatte surrte leise. Sie beobachteten Czernyk, der hinter der Scheibe am Tisch saß und mit dem leeren Kaffeebecher spielte.
    »Etwas anderes hätte mich auch gewundert, Chef.«
    Auf der anderen Seite stand Czernyk auf und trat dicht an die Scheibe. Seine Haut glänzte wächsern, die mandelförmigen Augen wirkten stumpf, leblos, als gehörten sie zu einem toten Fisch. Er starrte Zorn direkt in die Augen, obwohl er nur sein eigenes Spiegelbild sehen konnte.
    »Ich war vorhin vielleicht ein wenig zu direkt, Zorn.« Czernyks Stimme hallte blechern aus kleinen Lautsprechern, die dicht unter der niedrigen Decke hingen. »Sie sind kein schlechter Polizist. Die nötige Intelligenz haben Sie jedenfalls. Was Ihnen fehlt, ist vielleicht ein bisschen Abgeklärtheit. Sie sind zu impulsiv.«
    »Arschloch«, knurrte Zorn. Automatisch senkte er die Stimme, als könne er durch die Scheibe gehört werden.
    »Ich möchte Ihre Gastfreundschaft nicht länger als nötig beanspruchen«, sagte Czernyk. »Es war nett, mit Ihnen zu plaudern, aber ich habe zu tun. Ihr Kollege müsste schon mit Ihnen gesprochen haben.«
    Zorn ballte die Fäuste.
    »Ich lass dich schmoren, bis du weichgekocht bist.«
    »Das«, murmelte Schröder neben ihm, »wird nicht so einfach.«
    »Wie jetzt?«
    »Wir bekommen keinen Haftbefehl.«
    »Blödsinn!«
    »Czernyk sagt, dass wir nichts gegen ihn in der Hand haben.« Schröder betrachtete seine Fingernägel. »Und er hat recht.«
    »Er hat alles zugegeben!«
    »Hat er das?«
    »Er hat nichts bestritten!«
    »War das ein Geständnis?«
    Zorn stockte, ging in Gedanken das Gespräch noch einmal durch. Sah sein eigenes Spiegelbild, das mit Czernyks Gesicht zu einer grotesken Grimasse verschmolz, ein Bild, wie von Picasso gemalt. Vier Augen, zwei Nasen, zwei Münder.
    Czernyk hatte eine Geschichte erzählt. Kein Geständnis abgelegt.
    »Scheiße.«
    »Es gibt nicht den Hauch eines Beweises, Chef.«
    Czernyk, nicht mehr als einen halben Meter entfernt, nickte hinter der Scheibe. Als würde er ihnen zuhören.
    »Warum bist du hier?« Zorn starrte Czernyk an. »Aus demselben Grund, aus dem du die Leiche an meinen Schreibtisch gesetzt hast. Du willst mir zeigen, wie blöd ich bin. Du genießt es.«
    Schröder tätschelte Zorn den Rücken, als wolle er ihn trösten.
    »Ich lös dich ab.«
    »Tu das. Ich würde dem sonst eine reinhauen.«
    *
    »Setzen Sie sich bitte.«
    Schröder schloss die Tür hinter sich, trat näher und warf eine dünne Mappe auf den Tisch. Sie schlitterte über die polierte Platte und fiel auf der anderen Seite zu Boden. Er hob sie auf, wollte sich setzen und bemerkte, dass Zorns Stuhl umgekippt war. Kopfschüttelnd bückte er sich abermals, stellte den Stuhl wieder auf, zog den Bauch ein und zwängte sich umständlich auf seinen Platz. Dann schlug er die Akte auf und begann zu lesen, als wäre er allein im Raum.
    Czernyk war jeder seiner Bewegungen aufmerksam gefolgt, er stand neben der Tür, sein Kopf ging ruckartig hin und her, misstrauisch wie ein großer, nervöser Vogel.
    Eine Minute verging.
    »Ersparen Sie uns diese Spielchen«,

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