Zorn - Wo kein Licht
kommt.«
»Er wollte Ihnen Angst einjagen. Davon versteht er was.«
»Nebenan muss auch jemand sein, ich habe ihn gehört, er hat gegen die Rohre geklopft. Das ist schon eine Weile her, jetzt ist alles ruhig. Denken Sie, er ist tot?«
De Koop zuckte die Achseln.
»Der Mann, der uns entführt hat, ist zu allem fähig.«
»Sie kennen ihn?«
»Nicht nur ich. Sie kennen ihn auch.«
Der Richter wollte antworten, doch ein Hustenanfall nahm ihm den Atem. Er krümmte sich, würgte, ein trockenes Bellen erfüllte die Zelle. De Koop wartete geduldig neben der Tür.
»Sie wissen, wer es ist«, wiederholte er, als es wieder still war.
Der alte Richter atmete tief ein. Seine Lunge rasselte wie trockenes Papier.
»Jesus, Maria und Josef«, murmelte er.
»Keiner von denen wird uns helfen. Das müssen wir selbst tun.«
*
»Ich muss los.« Zorn verstaute sein Handy in der Jacke. »Und Sie haben wirklich keine Ahnung, wo er sein könnte?«
Frieda Borck schniefte, wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab.
»Nein.«
»Irgendein Ort, den er mal erwähnt hat? Er könnte sich in der Nähe einer Salzlagerstätte aufhalten, einer Solquelle oder etwas Ähnlichem.«
Sie dachte nach, dann schüttelte sie stumm den Kopf.
»Bleiben Sie zu Hause.« Zorn zögerte, dann ging er zu ihr, hockte sich hin und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich bin kein guter Tröster«, sagte er leise. »Aber ich werde mein Bestes geben, um ihn zu finden.«
»Das klingt wie eine Drohung.«
»Da müssen Sie durch.«
Zorn stand auf, sie hielt ihn an der Jacke fest.
»Rufen Sie mich an, sobald sich was ergibt.«
Er nickte.
Frieda Borck sah zu ihm auf.
»Und lassen Sie mir Ihre Zigaretten da.«
»Sie sind zu jung für diesen Scheiß.«
»Ich bin fast dreißig.«
»Sag ich doch. Zu jung.«
Er ging.
*
»Sie und ich, wir haben ein Geschäft gemacht.« De Koop saß auf dem Wannenrand, die Arme vor der Brust verschränkt. »Ich habe Ihnen Geld gegeben, dafür haben Sie damals beim Prozess für meinen Freispruch gesorgt. Sie mussten nicht viel tun, Papiere verschwinden lassen und ein Video, das war alles. Kleinigkeiten, ein paar Beweismittel, die Sie nicht zugelassen haben.«
Der Richter saß neben der Tür auf dem Boden.
»Es war ein Fehler«, sagte er kopfschüttelnd. »Der größte meines Lebens.«
»Das sehe ich anders.« Als de Koop lächelte, blitzten seine Zähne im Licht. »Ohne Sie würde ich im Gefängnis vermodern. Sie haben mir das Leben gerettet. Das bedeutet nicht, dass ich Ihnen zu Dank verpflichtet bin, schließlich habe ich Sie bezahlt, sehr gut sogar. Freiheit für Geld, das hat es schon immer gegeben.«
»Ich hatte gehofft, Sie niemals wiederzusehen. Das haben Sie versprochen. Dass ich nie wieder von Ihnen hören würde.« Die Stimme des Richters wurde schrill. »Jetzt bin ich hier gefangen, ich weiß nicht, was alles passieren wird, aber ich glaube, dass er uns umbringen wird, mein Gott, hätte ich Sie doch niemals getroffen, ich …«
»Hören Sie auf zu jammern!«
»Ich bin ein ehrbarer Mann!«
»Früher vielleicht. Jetzt sind Sie ein Verbrecher.«
Der Richter vergrub das Gesicht in den Händen.
»Sie haben mich dazu gemacht.«
»Ich? Das war nicht ich «, erwiderte de Koop sanft. »Es war Ihre Gier. Ich kenne mich damit aus, das können Sie mir glauben. Gier ist das, was die Menschen antreibt. Die Unzufriedenheit, der Drang, immer mehr besitzen zu wollen. Es geht nicht darum, was die Leute haben. Sondern darum, was sie nicht haben. Ich wette, Sie hatten genügend Geld auf dem Konto, aber es hat Ihnen nicht gereicht, Herr Richter. Das wusste ich, Sie sind nicht anders als alle anderen. Das ist die Grundlage meiner Arbeit. Ich erkläre es Ihnen gern noch einmal: Es war ein Deal zwischen Ihnen und mir. Sie sind reich geworden. Und ich habe meine Freiheit behalten. Das Schöne ist, dass niemand dabei zu Schaden gekommen ist.«
»Doch.« Der Richter sah auf. Seine Augen tränten. »Das Recht.«
»Das hätten Sie sich vorher überlegen müssen.«
Erneut wurde der Richter von einem Hustenanfall geschüttelt. Sein magerer Körper verkrampfte sich, die Sekunden vergingen, unbewegt sah de Koop zu, wie der alte Mann nach Luft rang, dann zog er den Reißverschluss seines Shirts zu und ging vor dem Richter in die Hocke.
»Wollen Sie das hier überleben?«
Der Kopf des Richters sank gegen die Wand. Er schloss die Augen, Tränen rannen über die eingefallenen Wangen, hinterließen glänzende Spuren auf der
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