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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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ein schmales Feld in der Mitte. Er wird sich so wenig wie möglich bewegen wollen.«
    »Was ist mit de Koops Villa?«, fragte Zorn.
    »Die lassen wir weiterhin überwachen, sicher ist sicher. Das Haus wird gerade durchsucht, aber ich glaube nicht, dass wir etwas finden werden.«
    Schröders Handy klingelte, er nahm ab.
    »Ja?«
    Ein paar Sekunden hörte er schweigend zu, dann nahm er seinen Mantel vom Haken.
    »Ich muss los. Sofort.«
    Er war blass geworden.
    »Was ist los?«
    »Mein Vater.«
    *
    KLACK
    De Koop schaltet die Taschenlampe aus. Die Dunkelheit ist überwältigend, fällt über ihn her wie ein stummes schwarzes Monster. Er steht da, spürt die Kälte der feuchten Wand im Rücken. Lauscht, hört seinen eigenen Atem. Und den des Richters, ein kratziges, unregelmäßiges Fauchen.
    KLACK
    Das Licht geht an, ein bernsteinfarbener Schimmer, ein paar Zentimeter im Durchmesser, kaum wahrnehmbar. Die Batterie ist fast leer, bald wird die Lampe nutzlos sein.
    Aber sie ist schwer. Er könnte sie als Waffe benutzen.
    Der Daumen seiner gesunden Hand gleitet über das geriffelte Metall, findet den kleinen Schalter direkt hinter dem Reflektor.
    KLACK
    Finsternis.
    KLACK
    Ein Flackern.
    KLACK
    Dunkelheit.
    KLACK
    Nichts. De Koop wartet, zählt bis zehn, versucht es wieder.
    KLACK KLACK
    Die Lampe bleibt aus.
    Es ist dunkel.
    Endgültig.

Siebenundzwanzig
    Zorn war ratlos. Es war zwanzig Minuten her, dass Schröder gegangen war, einfach so, er hatte jede Hilfe abgelehnt, obwohl Zorn ihm mehrfach angeboten hatte, mitzukommen. Auf die Frage, was genau passiert sei, hatte Schröder nicht geantwortet.
    Nein, hatte er gesagt. Ich muss das allein klären.
    Zunächst hatte Zorn nicht gewusst, ob er wütend oder einfach nur beleidigt sein sollte, schließlich war es ihm schon einmal gelungen, den alten Mann zu beruhigen. Nach einigem Nachdenken entschied er sich für keines von beidem und beschloss, einfach abzuwarten.
    Er lehnte wieder am Schreibtisch und betrachtete die große Wandkarte. Die wichtigsten Stellen – das Salzmuseum, das Salinebad, die Schausiederei – hatte er mit roten Stecknadeln markiert. Zuerst war ihm das albern vorgekommen, es erinnerte ihn zu sehr an die Vorabendserien im Fernsehen, doch es half, die Übersicht zu behalten.
    Nun ja, Übersicht war etwas zu viel gesagt. Es gab dutzende ähnliche Orte in der Stadt, seit dem Mittelalter wurde hier Salz abgebaut. Und wer konnte mit Sicherheit sagen, dass die Spuren an Czernyks Kaffeebecher tatsächlich einen Hinweis auf sein Versteck boten? Er konnte sonstwo gewesen sein, vielleicht hatte er einen Spaziergang unternommen, bevor er ins Präsidium gekommen war.
    Aber irgendwo mussten sie schließlich anfangen. Schröder hatte alles in die Wege geleitet, Streifenwagen waren unterwegs, die roten Punkte auf der Karte wurden nach und nach unter die Lupe genommen.
    Zorn sah auf die Uhr, es war kurz vor Mittag.
    Was sollte er jetzt tun? Die Streifenwagen anrufen? Das war Quatsch, sie würden sich sofort melden, wenn es etwas Neues gab. Zu de Koops Villa fahren? Nein, dort würde er nur stören, sinnlose Fragen stellen und den Kollegen vor den Füßen herumtreten.
    Was dann?
    Essen? Er hatte keinen Hunger.
    Nach kurzem Zögern verließ Claudius Zorn das Büro, um das zu tun, was er in solchen Fällen immer tat.
    Rauchen.
    *
    Eins. Zwei. Drei.
    Jan Czernyk ging quer durch die Eingangshalle des Badehauses. Vorsichtig, tastend, die Arme weit vom Körper weggestreckt. Die Augen hatte er fest zugekniffen, seine Lippen bewegten sich lautlos, er zählte die Schritte.
    Vier. Fünf.
    Der achteckige Raum mochte ungefähr zwölf Meter im Durchmesser haben, vielleicht etwas weniger. Langsam schob er den Fuß vor. Wunderte sich, wie schwierig es war, das Gleichgewicht zu halten. Bereits nach wenigen Metern hatte er die Orientierung verloren, ein dunkles Tuch schien über ihn gebreitet, die kleinste Bewegung verursachte Angst. Er hielt die Hände schützend vor das Gesicht, obwohl er wusste, dass da nichts sein konnte, kämpfte gegen den unbändigen Drang an, die Augen zu öffnen.
    Sein Atem ging schneller.
    So, genau so würde es sein, wenn er endgültig blind war.
    Sechs.
    Plötzlich Widerstand. Eine Holzlatte vielleicht. Vorsichtig ging er weiter, ein paar Zentimeter nur, die Sohlen schlurften über den verdreckten Beton.
    Sieben. Acht. Neun.
    Sein linkes Knie stieß gegen eine Kante. Es tat nicht weh, er richtete sich auf, die Lider noch immer fest geschlossen. Der Brunnen.

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