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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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der knallrot im Gesicht war, wandte sich an Hermann.
    »Werd glücklich mit ihr, Arschloch.«
    Er drehte sich um und wollte gehen.
    »Hör mir zu, Claudius.«
    »Leck mich.«
    »Das wär keine gute Idee. Ich sagte, du sollst mir zuhören.«
    Zorn verschränkte die Arme vor der Brust und schob das Kinn vor.
    »Ich kenne Malina, seit sie damals aus Kroatien gekommen ist«, sagte Hermann ruhig. »Es gibt nicht viele Menschen, die mir wichtig sind, aber sie gehört dazu.«
    »Ich will mit dir nicht über Malina reden.«
    »Du sollst nicht reden, sondern die Ohren aufsperren, ich sag’s dir nämlich nur einmal. Ich habe Malina nie angefasst. Wir sind Freunde, mehr nicht. Du wirst es nicht glauben, aber es gibt tatsächlich Wichtigeres, als miteinander zu vögeln.«
    »Ich lach mich tot.«
    »Ich interessiere mich nicht für Frauen.«
    »Das ist mir so was von scheißegal! Ich …« Zorn stutzte. »Was hast du gesagt?«
    »Du hast mich schon verstanden.«
    Langsam, ganz langsam dämmerte Zorn, was Hermann meinte. Er nahm die Brille ab, kniff die Augen zusammen und musterte ihn von Kopf bis Fuß, die Lederstiefel mit den Metallspitzen, die engen Röhrenjeans, den schwarzen, um den Hals geschlungenen Schal. Unwillkürlich wich er einen Schritt zurück.
    »Keine Angst«, lächelte Hermann, »alte Säcke wie du interessieren mich ebenfalls nicht.«
    Er gab dem verdatterten Hauptkommissar einen Klaps auf die Schulter und ging davon. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Zorn sich halbwegs wieder gefangen hatte.
    »Wenn du denkst, dass ich mich wegen deiner Nase entschuldige«, rief er ihm nach, »hast du dich gewaltig geschnitten!«
    Hermann lief weiter. Er drehte sich auch nicht um, aber sein Mittelfinger schnellte kurz in die Höhe. Die Tüte schlug gegen seinen Oberschenkel, Zorn erkannte drei Mehrkornbrötchen und etwas helleres, wahrscheinlich eine Laugensemmel oder ein Baguette.
    Laugensemmel, dachte Zorn.
    Auch ein gutes Schimpfwort.
    *
    »Ich bin da, Papa.«
    Der Alte lag auf der Seite, er wandte Schröder den Rücken zu. Das Zimmer war aufgeräumt worden, eines der Fenster gekippt. Desinfektionsmittel überdeckte den Geruch nach Kot und Urin. Das Bett war frisch bezogen, daneben stand ein Stativ mit einem Tropf, eine dünne Leitung führte zum Handgelenk des alten Mannes.
    »Hörst du mich?«
    »Natürlich. Ich bin senil, aber nicht schwerhörig.«
    Schröders Vater starrte weiter in Richtung Fenster. Er sprach leise, doch seine Stimme war klar. Schröder sah, wie seine Kieferknochen arbeiteten.
    »Warum hast du das getan, Papa?«
    »Was?«
    »Du hast Fensterputzmittel getrunken, fast eine halbe Flasche.«
    »Ja, das habe ich.«
    »Warum?«, wiederholte Schröder leise. Er saß auf der Bettkante, seine kurzen Beine schwebten über dem Teppich, die Hände hatte er im Schoß verschränkt.
    »Sie haben mir den Magen ausgepumpt«, sagte der Alte. »Vorher mussten sie mich fesseln, ich habe gebrüllt, die halbe Küche zu Kleinholz geschlagen. Der Notarzt hat ein blaues Auge.« Er drehte sich auf den Rücken, sah Schröder an. Seine Wange hinterließ einen feuchten Abdruck im Kissen, er hatte geweint. Jetzt waren seine Augen trocken. »Ich kann mich natürlich an nichts davon erinnern, deine Mutter hat es mir erzählt. Nachdem sie mir den Hintern abgewischt hat. Ich hatte mir in die Hosen gemacht, sie hat mich gesäubert. So, wie ich es früher bei dir gemacht habe.«
    Ein Windstoß fegte gegen das kleine Haus, das Fenster klappte zu.
    »Das Leben geht schnell vorbei, mein Sohn. Viel zu schnell, man merkt es aber erst zum Schluss. Irgendwann stellst du fest, dass du als achtzehnjähriger junger Mann ins Bett gegangen bist, plötzlich klingelt der Wecker und du erwachst als sabbernder, seniler Greis. Die Zeit dazwischen zählt nicht mehr. Und die Zeit, die noch kommt, ist eine Qual.«
    Schröder nahm ein Taschentuch und tupfte seinem Vater die Stirn ab.
    »Ich habe dich zu einem guten Menschen erzogen«, murmelte der Alte, als spräche er mit sich selbst. »Manchmal war ich vielleicht zu streng, aber ich dachte damals, dass ich das Richtige mache. Du bist ein guter Mensch, obwohl ich fürchte, dass ich in letzter Zeit andere Dinge zu dir gesagt habe, schlimme, unverzeihliche Sachen. Aber das war nicht ich.« Er klopfte mit dem Knöchel des Zeigefingers gegen die Schläfe. »Das war der Irre hier drin. Er wird stärker. Ich weiß, wie es weitergehen wird, bald wird nichts mehr von mir übrig sein.«
    Schröder schüttelte den

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