Zorn - Wo kein Licht
an.
Eigentlich hätte er erleichtert sein müssen, jetzt, nachdem er mit Hermann gesprochen hatte. Doch Zorn war wütend, ärgerte sich über seine eigene Dummheit. Die sexuellen Vorlieben anderer kümmerten ihn nicht, zumindest in dieser Beziehung war er absolut vorurteilsfrei. Wie, wo, und vor allem mit wem sich andere Menschen vergnügten, war ihm herzlich egal, solange es in gegenseitigem Einverständnis geschah. Er selbst war eher konservativ gestrickt, die Vorstellung, einen Mann attraktiv zu finden, war in seinen Augen absurd. Frauen waren wunderschöne Geschöpfe, doch Männer? Die, so fand er, durften sich glücklich schätzen, dass Frauen sie überhaupt wahrnahmen oder gar schön finden konnten mit ihren harten, kantigen Gesichtern, den Haaren auf der Brust, den faltigen Hintern, den krummen Beinen und dem albern herumbammelnden Gekröse zwischen den Beinen.
Egal, sein Problem war ein anderes.
Er hatte geglaubt, nein, er war sicher gewesen, absolut sicher, dass Malina und Hermann etwas miteinander gehabt hatten (ein bescheuerter Begriff, fand Zorn, aber etwas Besseres fiel ihm nicht ein). Hermann war fast zwanzig Jahre jünger als er, außerdem sah er gut aus (nun ja, das war relativ, in Zorns Augen war der Kerl – schwul oder nicht – noch immer ein blasierter, aufgetakelter Aufschneider). Zwischen den beiden war etwas gewesen, eine Vertrautheit, die ihn wütend gemacht hatte, er hatte sich ausgeschlossen gefühlt, die Eifersucht hatte ihn geblendet. Es gab keine Freundschaft zwischen Männern und Frauen, entweder man mochte sich oder nicht. Wenn ja, landete man irgendwann zusammen im Bett, das war Zorns feste Überzeugung. Auch jetzt noch.
In diesem Fall allerdings hatte er sich geirrt. Und er hatte sich wie ein Volltrottel verhalten. Diese Einsicht hatte zu einer weiteren geführt, dazu, dass er sich bei Malina entschuldigen musste. Das hatte eine Weile gedauert und war nun gar nicht nach dem Geschmack des Claudius Zorn, trotzdem beschloss er, die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Wenn er sie nicht anrufen konnte, dann eben anders, kurz und schmerzlos, per SMS.
Er schob ein paar Büroklammern beiseite und nahm das Handy. Fuhr mit der Zunge über die Oberlippe, dann tippte er, es dauerte lange, bis er die richtigen Buchstaben fand.
Es tut mir leid, ich war bekloppt!
Nee. Er löschte das letzte Wort.
Es tut mir leid, ich war bescheuert!
War das besser? Auch nicht, jetzt änderte er das vorletzte Wort.
Es tut mir leid, ich bin bescheuert!
Oder doch bekloppt?
»Das ist doch bescheuert!«, fluchte Zorn und warf das Telefon wieder auf den Schreibtisch. Malina würde den Braten sowieso riechen, sie kannte ihn, wusste, dass er meistens den Weg des geringsten Widerstands ging.
Wie stellst du dir das vor, Claudius?, würde sie sagen. Du schickst mir eine SMS, und dann ist alles wieder gut?
Was sollte er tun? Tat es ihm überhaupt leid?
Ja, das tat es. Morgen flog sie nach Zagreb, er hatte keine Ahnung, wann sie zurückkommen würde.
Er nahm seine Jacke, öffnete die Tür.
Ich kann jetzt sowieso nichts tun, dachte er. Die Streifenwagen sind unterwegs, wenn was ist, werden sie mich auf dem Handy anrufen. Ich fahre zu Malina. Wenn ich vor ihr stehe, werden mir schon die richtigen Worte einfallen. Hoffentlich.
Er runzelte die Stirn, stutzte. Dann schlug er sich mit der Hand an die Stirn.
»Ich bin so was von bekloppt!«
Das stimmte.
Malina hatte ihre Sachen aus seiner Wohnung geholt.
Er hatte keine Ahnung, wo sie jetzt war.
*
»Er schläft jetzt.«
Schröder kam in die Küche, vorsichtig zog er die Tür hinter sich ins Schloss und setzte sich zu seiner Mutter an den Tisch. Vor ihr stand eine Tasse Kaffee, auf dem Herd brodelte ein Topf mit Wasser. Er nahm ihre Hand und drückte sie sanft.
»Mama?«
Sie sah auf.
»Ach, entschuldige, ich habe dich nicht gehört. Möchtest du Kaffee?«
»Nein, danke.«
Ein Zischen, das Wasser im Topf kochte über. Schröder sprang auf und drehte das Gas ab. Sie richtete sich auf.
»Herrje, die Suppe! Die hatte ich ganz vergessen, du musst doch Hunger haben!«
»Das ist egal.«
Er hatte sich wieder zu ihr gesetzt.
»Du siehst schlecht aus, Junge.« Schröder war blass, der Scheitel hatte sich gelöst, die rostroten Strähnen hingen über die linke Schulter. »Und du musst dringend zum Friseur.« Sorgfältig strich sie ihm das Haar hinter die Ohren. Er ließ es schweigend geschehen. »Wie geht’s Papa?«, fragte sie dann.
»Er
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