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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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aufnimmt.
    Nachtmenschen sind Jäger. Sie brauchen eine Waffe. Auch dafür hatte de Koop gesorgt, als er noch dazu in der Lage gewesen war. Zuerst hatte er sich für die Taschenlampe entschieden, sie war schwer, lag gut in der Hand wie ein Totschläger. Kurz, bevor das Licht endgültig verloschen war, hatte er die leere Wodkaflasche entdeckt, sie lag unter dem Waschbecken, verborgen unter einem Schutthaufen. Er hatte sich die Stelle gemerkt, jetzt hielt er die Flasche in der gesunden Hand, das Glas schlug leicht gegen seinen Oberschenkel.
    Ansonsten bewegte sich Elias de Koop nicht.
    Nachtmenschen sind geduldig.
    *
    Claudius Zorn lag in der Dunkelheit, die linke Hand stützte den schmerzenden Kopf, in der rechten hielt er, wie er sie selbst bezeichnet hatte, eine verschissene Star-Wars-Figur.
    Er war wütend, verwirrt, verängstigt. Die Furcht überwog, die Orientierungslosigkeit machte alles noch schlimmer. Lange konnte er nicht hier sein. Sein Kopf dröhnte zwar noch immer, doch es wurde langsam besser. Der Schlag war nicht sonderlich hart gewesen, aber offensichtlich sehr gut gezielt.
    Seine Finger betasteten die Figur. Arme und Beine waren beweglich, er konnte das Lichtschwert fühlen, nicht viel länger als ein Streichholz.
    Er wird auf dich aufpassen, hatte der Lampenmann gesagt. Er heißt Darth Vader, alle denken, er ist böse, aber das ist er nicht.
    Was hatte er dann erzählt? Genau, dass die Figur ein Geschenk von Gott sei.
    »Pff!«, machte Zorn trotzig.
    Ich weiß ja nicht, lieber Gott. Für Moses hast du das Mittelmeer geteilt, du hast Feuer vom Himmel regnen lassen und was weiß ich noch alles. Okay, ich bin nicht Moses, aber ein bisschen anstrengen könntest du dich schon, Freundchen!
    Er stutzte.
    Freundchen hatte er den lieben Gott noch nie genannt. Sicherlich, Claudius Zorn war ein Zweifler, trotzdem brachte er seinem Schöpfer eine Art widerwilligen Respekt entgegen. Nicht etwa, weil er bedingungslos an ihn glaubte, nein, er war sich einfach nicht sicher. Eines allerdings war klar: Wenn Gott existierte, durfte man sich nicht mit ihm anlegen. Und frech kommen sollte man ihm schon gar nicht. Aus Sicherheitsgründen, schließlich, so hieß es jedenfalls, konnte der alte Herr ziemlich nachtragend sein.
    So ruderte Zorn denn in Gedanken zurück. Ein wenig jedenfalls.
    Während er betete, drehte er die Figur in den Händen wie einen Rosenkranz.
    Das war jetzt ein bisschen flapsig, aber entschuldigen werde ich mich nicht. Ich brauche hier Hilfe, und du könntest ruhig …
    KLACK
    Zorn stutzte.
    Seine Hand erglühte in einem zarten, rötlichen Licht. Ein irisierender, fast überirdischer Schimmer, ungläubig hob Zorn den Kopf, dann begriff er.
    Das Schwert. Es leuchtete.
    Die ganze Zeit hatte er Darth Vader in den Händen bewegt, dabei musste er an das Schwert gekommen sein. Es ließ sich drehen, ein kleiner Schalter war im Knauf verborgen.
    Halleluja!
    Zorn konnte etwas sehen. Jetzt hatte er Licht. Das war nicht viel, aber in seiner Situation war das wirklich ein Geschenk Gottes.
    Darth Vader, ich liebe dich. Und dich, meinen Schöpfer, liebe ich auch. Deine Wege sind unergründlich, und ich habe nie an dir gezweifelt. Ein klitzekleines bisschen vielleicht, aber das nehm ich zurück.
    Jetzt musst du mir nur noch sagen, wie ich hier rauskomme.
    *
    De Koop schlug die Flasche leicht gegen die Wand. Ein hohler, misstönender Ton erklang, wie das letzte Schwingen einer verstimmten Kirchenglocke. Ein weiterer Schlag, etwas kräftiger jetzt. De Koop presste die Lippen aufeinander, er hatte nur einen Versuch, das Glas musste an der richtigen Stelle brechen.
    Noch einmal. Ein Splittern.
    Kleider raschelten in der Dunkelheit, ein Poltern, Schuhe schlugen dumpf gegen das Fußende der Wanne.
    »Was ist passiert?«, fragte der Richter müde.
    »Nichts.«
    De Koop umklammerte den Flaschenhals, das untere Ende war abgebrochen. Er tastete nach unten, fühlte die lange, gezackte Spitze, scharf wie eine Messerklinge.
    »Nichts ist passiert«, wiederholte er. »Schlafen Sie weiter.«
    Er lächelte zufrieden.
    Jetzt war er bewaffnet. Mit einem gläsernen Dolch.
    *
    Darth Vader war klein. Wenn es hochkam, maß er vielleicht zehn Zentimeter von der Spitze des schwarzen Helmes bis zu den Stiefelsohlen. Der Umhang war aus dickem Stoff gefertigt, die Maske, die in den Filmen immer bedrohlich wirkte, sah aus wie eine putzige Skibrille. Eine winzige, behandschuhte Faust umklammerte das Lichtschwert, bei näherem Hinsehen entpuppte

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