Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
Vom Netzwerk:
aus und wischte die Handflächen an der Jeans ab.
    Also das, dachte er, macht mir so schnell keiner nach. Ich versuche, mit dem Stiefel von Darth Vader ein Türschloss zu öffnen. Wie hieß der Typ aus dieser uralten Fernsehserie? Der Schönling mit dem fürchterlichen Haarschnitt, der sich ständig irgendwo befreien musste und aus einer Büroklammer und einem Streifen Tesafilm ein Atomkraftwerk bauen konnte?
    Darth Vader hing waagerecht im Schlüsselloch, das Lichtschwert kampfbereit erhoben.
    Zorn drehte weiter.
    Genau, MacGyver. Der Kerl ist ein armes Würstchen gegen mich.
    Einen fürchterlichen Moment dachte er, das Bein würde abbrechen.
    Dann ein metallisches Klacken.
    Die Verriegelung schnappte zurück. Langsam schwang die Tür nach außen.
    Zorn biss sich auf die Unterlippe, sonst wäre er in ein hysterisches Kichern ausgebrochen.
    Ich bin frei! Ich hab’s tatsächlich geschafft, ich jauchze, ich jubiliere! Ich lobpreise dich, o Herr, ich falle vor dir auf die Knie, ich …
    Ein gleißendes, überirdisches Licht flammte auf. Zorn schloss geblendet die Augen, fast wäre er vor Schreck tatsächlich auf die Knie gesunken.
    Doch dieses Licht war nicht göttlich.
    Es stammte vom Strahl einer starken Taschenlampe, er war direkt auf Zorns Gesicht gerichtet.
    »Nicht schlecht«, sagte Jan Czernyk. »Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut, Kollege.«

Einunddreißig
    das muss ein traum sein, natürlich, diesen ort hat sie noch nie zuvor gesehen, den berg, sie steht ganz oben, auf einer flachen kuppe, unter ihr nichts als geröll und brauner sand, dazwischen große lavabrocken auf totem, staubigem land, eine mondlandschaft, es ist heiß, die luft flimmert, keine wolke, kein vogel am stahlblauen himmel, nur die sonne, direkt über ihr, ein weißglühender, pulsierender ball.
    es ist stürmisch hier oben, ein harter wüstenwind bläst ihr das haar aus der stirn, der stoff ihres mantels umweht sie, knattert im wind wie eine fahne, sie schaut nach unten, bemerkt, dass sie ihre wintersachen anhat, doch sie ist barfuß, ihre nackten füße schweben ein paar zentimeter über dem steinigen boden, jetzt ist sie sicher, dass dies ein traum ist.
    sie hört das pfeifen des windes und etwas anderes, meeresrauschen vielleicht, sie sieht sich um, in der ferne weitere berge, vulkankegel, sie werfen tiefschwarze, scharf umrissene Schatten, sie wirken wie löcher im boden, der horizont scheint hier näher, eine wand aus schlierigem licht, er ist seltsam gebogen, verjüngt sich nach oben, als stünde sie unter einer gläsernen kuppel.
    rechts von ihr erheben sich die rötlichen mauern einer ruine aus dem sand, einen, vielleicht zwei kilometer weiter weg, die entfernung ist schwer zu schätzen, das gebäude sieht aus wie ein hufeisen, ein hoher mittelbau mit schmalen fenstern, zwei schornsteine flimmern wie eine fata morgana, links und rechts flache anbauten, kleiner als in der realität, die perspektiven sind leicht verschoben, kein wunder, dies ist ein traum, so sieht das alte solbad in ihrer erinnerung aus.
    zwischen den schornsteinen steht der mond, nein, es sind zwei, daneben ist noch einer, er ist ein wenig kleiner, eine grünliche sichel, die farbe erinnert an schimmligen käse, sterne funkeln, tausende, millionen, sie spürt die wärme der sonne im nacken, es ist nacht und gleichzeitig tag.
    jemand ruft ihren namen, sie dreht sich um.
    jan steht direkt hinter ihr, auf den ersten blick hat er sich kaum verändert, der dunkle mantel ist geöffnet, sie sieht das streng gescheitelte, glänzend schwarze haar, den schlips, das frisch gebügelte hemd, auch er scheint zu schweben, er wirkt seltsam flach, transparent, wie eine projektion, ein hologramm, eine erscheinung innerhalb eines traumes.
    »gut, dass du da bist«, sagt sie, »ich muss mich an etwas erinnern, aber es fällt mir nicht ein, sosehr ich mir auch den kopf zerbreche.«
    er lächelt, ein trauriges, müdes lächeln.
    »denk nach, frieda.«
    sie sieht, wie sein mund sich bewegt, aber seine stimme kommt aus einer anderen richtung, irgendwo schräg hinter ihr, sie klingt blechern, wie aus einem alten grammophon.
    »kannst du mir nicht helfen, jan?«
    »es ist dein traum, nicht meiner.«
    steine rollen den abhang hinunter, etwas nähert sich, ein tier, sie hört ein knurren, dann ein tiefes, kehliges bellen, ein hund erscheint hinter einem lavabrocken, sieht zu ihr hinauf, er ist riesig, sein fell ist schmutzig, geifer läuft aus dem geöffneten maul, die zunge hängt zwischen

Weitere Kostenlose Bücher