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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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schwerfällig. »Was war jetzt genau mit dem Prozess gegen diesen …«
    »Elias de Koop. Ich habe bisher nur einen Teil der Akten. Der verschwundene Anwalt hat ihn verteidigt. Und der vermisste Richter hat ihn freigesprochen.«
    »Aber de Koops Adresse haben wir?«
    » Yes.«
    »Ich besuche den Herrn jetzt.«
    »Es ist noch nicht mal halb acht, Chef.«
    »Dann werde ich ihn aus dem Bett klingeln müssen.«
    »Wie du meinst.« Schröder öffnete eine Schublade und reichte Zorn eine Klarsichtfolie mit einem DIN-A4-Blatt. »Hier steht alles, was ich über de Koop gefunden habe.«
    »Eine halbe Seite?« Zorn überflog die eng gedruckten Zeilen. »Wohlhabend, alleinstehend, zahlt pünktlich seine Steuern, keine Vorstrafen. Viel ist das nicht.«
    »Deswegen vernehmen wir ihn ja, Chef. Soll ich mitkommen?«
    »Nee. Du kümmerst dich um die SMS.«
    »Sehr wohl, Chef.«
    Zorn ging zur Tür.
    »Wenn du fertig bist, kannst du ja noch ein bisschen mit deinen Begonien quatschen.«
    *
    Jeremias Staal lehnte an einer Ampel direkt neben dem neuen Justizzentrum, einem weinroten, schmucklosen Klotz, der neben einer baufälligen Villa in den trüben Himmel ragte.
    Die Hauptstraße in Richtung Süden war überfüllt. Kurz hinter dem Bahnhof wurde die Strecke einspurig, die Autos klebten aneinander, ihre Scheinwerfer stocherten im Nebel wie gichtige, vom Alter gekrümmte Finger.
    Die Ampel sprang auf grün.
    Staal schlurfte los, verbissen starrte er auf seine Füße, ausschließlich darauf konzentriert, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er war jetzt seit fast zwei Stunden unterwegs, dabei hatte er versucht die Nebenstraßen zu benutzen, die kleinen Gassen, um seinen Verfolger abzuschütteln. Zwischendurch musste er sich verlaufen haben, kein Wunder, das Fieber wütete in seinem Körper, das Bein schmerzte, es fiel ihm schwer, die Orientierung zu behalten.
    Eine Straßenbahn ratterte vorbei, hielt ein paar Meter weiter und fuhr dann wieder an. Staal sah, wie die Rücklichter im Nebel verschwanden. Das nächste Mal würde sie am Bahnhof halten. Danach folgten noch drei Stationen, die vierte lag direkt vor seiner Haustür. Oder waren es fünf? Er wusste es nicht, konnte sich einfach nicht konzentrieren, sein Hirn schien im Schädel zu kochen wie ein Suppenhuhn im Topf. Egal, mitfahren konnte er sowieso nicht, das Risiko war zu groß. Er hatte kein Geld für die Fahrkarte, wenn er kontrolliert würde, wäre alles vorbei.
    Plötzlich wurde ihm schwarz vor Augen, er taumelte zur Seite, dabei trat er auf einen losen Stein. Das verletzte Bein knickte um, Staal schrie auf und sank in einem Hauseingang zu Boden. Ein paar Minuten saß er so da, Feuchtigkeit und Kälte drangen durch die dünne Anzughose, er spürte es nicht, seine Lider flatterten, der Kopf sank auf die Brust, doch kurz, bevor er die Besinnung verlor, weckte ihn eine laute Stimme.
    »Was machst du hier?«
    Staal sah auf, schloss aber sofort geblendet die Augen. Der Strahl einer starken Lampe war direkt auf sein Gesicht gerichtet.
    »Geh hier weg! Los!«
    Ein Gedanke formte sich in seinem Kopf, die Frage, wer jetzt, am Vormittag, mit einer Taschenlampe unterwegs war. Ächzend rappelte er sich auf, sank aber sofort wieder zurück. Er wurde an der Schulter gepackt.
    »Mach schon!«
    Der Mann war wütend. Das Licht kam von einer Stirnlampe, die er über einer dunklen Wollmütze trug. Das lange Haar fiel bis auf die Schultern eines alten Armeeparkas, jede seiner Bewegungen erzeugte ein geräuschvolles Klirren. Staal erkannte, dass er überall mit Plüschtieren, Puppen und kleinen Werkzeugen behängt war, sie baumelten an seinem Gürtel und den Taschen seines Rucksacks.
    Er ahnte, warum der Mann so erregt war. Ein Penner, der dachte, er wolle ihm sein Revier streitig machen. Bevor Staal erklären konnte, dass er kein Bettler sei, dass er sich nur kurz ausruhen müsse, warten, bis die Schmerzen im Bein nachließen, wurde er grob an den Armen gepackt und hochgezogen, dann bekam er einen Stoß in den Rücken.
    »Du sollst gehen!«
    Er hinkte davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Mühsam kämpfte er sich vorwärts, mit kleinen, vorsichtigen Schritten. Er erreichte die Haltestelle, fünf, sechs Menschen warteten dort. Ein junger Mann in Anzug und Krawatte, ein paar Kids in dicken, gefütterten Jacken, bunte Kopfhörer auf den Ohren, eine ältere Frau mit einem kleinen Mädchen an der Hand. Staal humpelte vorbei, hielt sich ganz rechts, an der Hauswand, den Blick stur auf den Fußweg

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