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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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sieben, die Morgennachrichten begannen. Schröder stand auf, stellte das Geschirr in die Spüle, wischte den Tisch sorgfältig ab und schaltete das Radio aus. Er lief vorsichtig, fast auf Zehenspitzen, die Decken des kleinen Reihenhauses waren dünn, eine Etage tiefer schliefen seine Eltern, er wollte sie nicht wecken.
    Die nächsten Minuten verbrachte er im Bad. Es dauerte eine Weile, bis er die dünnen Haarsträhnen mit einem schwarzen Kamm über der Glatze drapiert hatte. Ein letzter Blick in den Spiegel, Schröder stieß ein missmutiges Grunzen aus, als er einen kleinen Fettfleck am Kragen seines karierten Hemdes entdeckte. Er ging ins Schlafzimmer. Im Laufen zog er das Hemd über den Kopf, das Unterhemd rutschte nach oben, sein Bauch wölbte sich über der Cordhose. Eine hässliche Narbe wurde sichtbar, ein fünfzehn Zentimeter langer, gezackter Riss zog sich quer über die mit rötlichem Flaum bedeckte Haut.
    Im Schrank lag ein Dutzend akkurat gefalteter Hemden in zwei säuberlichen Stapeln, innerhalb von ein paar Sekunden hatte Schröder sich umgezogen. Er griff seine Aktentasche, lief zur Tür, zögerte, drehte sich um und holte sein Handy vom Nachttisch. Auf dem Display stand, dass er eine neue Nachricht hatte.
    Die Nummer des Absenders kannte er nicht.
    Alles hängt zusammen, las Schröder.
    Richter, Anwälte und kaputte Autos.
    Vergiftete Polizisten und Selbstmörder.
    Schröder runzelte die Stirn und scrollte nach unten:
    Gruß an Zorn
    Eine halbe Minute starrte Schröder auf sein Telefon. Las die Nachricht noch einmal, prägte sich die Worte ein, Buchstabe für Buchstabe.
    »Ich hab’s geahnt«, murmelte er. »Irgendwie hab ich’s geahnt.«
    Dann nahm er seinen Mantel und flitzte die Treppe hinab. Die Dielen knackten unter seinen Schuhen, mit einem Knall fiel die Haustür ins Schloss. Schröders Mutter, eine dreiundsiebzigjährige ehemalige Postangestellte, fuhr in ihrem Bett auf und stieß einen verwunderten Schrei aus.
    Doch das hörte Hauptkommissar Schröder nicht mehr.
    *
    »Du bist schon da?«
    Schröder stutzte kurz, dann hängte er seinen Mantel auf, nahm Zorn gegenüber Platz und fuhr seinen Rechner hoch.
    »Ich hab Kaffee gemacht, Schröder.«
    Zorn nickte in Richtung Fensterbrett, wo die Kaffeemaschine ein letztes Fauchen ausstieß.
    Er war seit einer Viertelstunde im Büro, zu Hause hatte er es einfach nicht mehr ausgehalten.
    »Danke«, erklärte Schröder, »aber ich mach mir nachher einen Tee. Solltest du auch ab und zu«, fügte er mit einem leisen Lächeln hinzu.
    Ja, dachte Zorn, das würde passen. Wie heißt es immer? Abwarten und Tee trinken. Ich tue nichts anderes als Warten, mein ganzes Leben lang. Aber ich kann meine Zeit auch vergeuden, indem ich Kaffee trinke.
    »Gibt’s sonst was Neues?«, fragte er gähnend. Es war kurz nach sieben, Zorn war müde, denn er hatte schlecht geschlafen. Und noch schlechter geträumt. Von Malina. Und von Hermann, diesem pseudointellektuellen Müsliquirl, diesem … aber daran wollte Zorn jetzt nicht denken.
    »Allerdings Chef.«
    Schröder beugte sich über den Tisch und reichte ihm sein Handy. Zorn griff verblüfft zu.
    »Was ist das?«
    »Mein Telefon.«
    »Danke, aber ich hab selbst eins, Schröder.«
    »Lies, Chef.«
    Zorn warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Es sah nicht so aus, als wolle Schröder ihn veralbern, also schob er die Brille auf die Stirn und tat, wie ihm geheißen. Einmal, zweimal. Genau, wie Schröder eine halbe Stunde zuvor. Verdattert stierte Zorn auf das Display, den Mund halb geöffnet, seine Lippen bewegten sich beim Lesen mit.
    »Das kapier ich nicht.« Er legte das Telefon auf den Tisch. »Was soll das bedeuten?«
    »Das ist eine SMS.«
    »Ach nee.«
    »Sie ist vorhin gekommen. Ich habe zurückgerufen, das Telefon ist ausgeschaltet. Die Nummer kannte ich nicht.«
    »Wie jetzt?«
    »Null, eins, sieben, acht, fünf, sechs, acht, sechs, sieben, fünf, sechs«, zitierte Schröder aus dem Gedächtnis. Es klang, als würde er die Lottozahlen ansagen.
    »Aber was um alles in der Welt bedeutet das?«, wiederholte Zorn ratlos.
    »Eine ganze Menge.« Schröder langte über den Tisch und legte das Handy neben seine Tastatur. »Mit den vergifteten Polizisten und den kaputten Autos sind der Anschlag auf den Polizeiball und die Massenkarambolage auf der Hochstraße gemeint. Außerdem werden Richter und Anwälte erwähnt, ein Hinweis auf die beiden Vermissten. Und last, but not least: Einen Selbstmörder haben wir auch: Meinolf

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